Kein altes Eisen

BERLIN. Ältere Arbeitnehmer haben es schwer auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Doch diese könnte sich angesichts der demografischen Entwicklung bald ändern.

Nach dem Gewinn der Fußballeuropameisterschaft riss sich halb Europa um Otto Rehhagel. Während auf dem üblichen Arbeitsmarkt jemand über 40 nur noch schwer vermittelbar ist, konnte sich der Meistertrainer im zarten Alter von 65 Jahren vor möglichen neuen Aufgaben kaum retten. Auch Wolfgang Clement (SPD), Wirtschafts- und Arbeitsminister, ist stolze 64 Jahre alt und muss noch nicht an die Rente denken. Rehhagel und Clement gehören eben zu den großen Ausnahmen: Die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen liegt in Deutschland bei nur 39 Prozent. "Das ist verteufelt wenig”, so Clement gestern in Berlin bei der Vorstellung der Kampagne "30, 40, 50plus - Gesund arbeiten bis ins Alter” der "Initiative Neue Qualität der Arbeit” (Inqa). Ins Leben gerufen wurde Inqa von Bund, Ländern, Sozialversicherungen, Sozialpartnern und Stiftungen. In Schweden arbeiten 68 Prozent der über 55-Jährigen, in den USA 60 und in Japan 62 Prozent. "Es muss gelingen, das wertvolle Wissen und die vielfältige Erfahrung der älteren Beschäftigten bestens zu nutzen”, forderte Clement gestern ein Umdenken. Viele Unternehmen haben es nämlich noch gar nicht gemerkt: Wegen des demographischen Wandels und der damit verbundenen, wirtschaftlichen Folgen müssen sich die Firmen zwangsläufig darauf einstellen, "zukünftig mit einer im Durchschnitt älteren Belegschaft im Wettbewerb zu bestehen”, so Clement weiter. Inqa will deshalb in den nächsten Tagen zehntausend Unternehmen anschreiben und für eine nachhaltige und altersgerechte Personalpolitik werben. Damit das möglichst ein Ende hat, was bei der Präsentation Wolfgang Rhode, Vorstandsmitglied der IG Metall, kritisierte: "Der Jugendwahn in der Personalpolitik ist nach wie vor Realität.” Über 50-Jährige dürften nicht länger wegen ihrer angeblich geringeren Leistungsfähigkeit gegenüber Jüngeren zum alten Eisen gezählt werden, meinte Minister Clement. An neuen Strategien im Umgang mit Älteren kommen die Unternehmen ohnehin nicht vorbei, ist sich die Initiative Inqa sicher. Das geht zumindest aus ihrem Memorandum "Demographischer Wandel und Beschäftigung” hervor: Im Jahr 2020 wird jeder Dritte Erwerbstätige älter als 50 Jahre alt sein. "Erstmals wird es dann in den Betrieben mehr 50-Jährige als 30-Jährige geben”, heißt es in der Analyse. Die Altersstruktur in vielen Firmen sei derzeit stark auf die mittleren Jahrgänge komprimiert, da vor allem ältere Arbeitnehmer vom Personalabbau der letzten Jahre betroffen gewesen und nur wenige jüngere eingestellt worden seien. Wenn diese Jahrgänge in den nächsten zehn bis 15 Jahren in Rente gingen, "droht den Unternehmen ein dramatischer und schlagartiger Verlust an Erfahrungswissen.” Darauf muss man sich als Unternehmer frühzeitig einstellen, wenn man nicht Schiffbruch erleiden will. Die Experten raten, bereits jetzt Altersstrukturanalysen vorzunehmen. Auf die Betriebe kämen schließlich jede Menge Aufgaben bei der betrieblichen Gesundheitsförderung und vor allem der Weiterbildung zu. "Eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des demographischen Wandels spielen zudem die Unternehmenskultur und das Verhalten der Führungskräfte”, glaubt Inqa. Denn: An der "Renaissance des Stellenwertes des Menschen im Unternehmen” kämen die Bosse nicht vorbei.

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