Längst überfällig

Am Ende wurde das Gerangel um den Rücktritt von Weltbank-Chef Paul Wolfowitz zur politischen Real-Satire.

Am Ende wurde das Gerangel um den Rücktritt von Weltbank-Chef Paul Wolfowitz zur politischen Real-Satire. Während der durch erwiesene Günstlingswirtschaft zu Recht ins Kreuzfeuer geratene Bush-Schützling mit beipielloser Chuzpe argumentiert hatte, die Bank würde im Falle seines Ausscheidens langfristig Schaden nehmen, erklärte ihn die Bundes-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kurzerhand zur "persona non grata" für das anstehende Weltbank-Afrikaforum in Berlin - ein ungewöhnlich drastischer Schritt, der sich natürlich nicht als Musterbeispiel für sensible Transatlantik-Diplomatie qualifiziert. Die Vergangenheit von Wolfowitz als Stellvertreter von Pentagon-Chef Donald Rumsfeld dürfte bei dieser überzogen wirkenden, aber zeitlich effektiv inszenierten Reaktion der Ministerin natürlich mit eine Rolle gespielt haben. Erst als dann das Weiße Haus erkannte, dass der Weltbank-Präsident nach Wochen wachsender interner wie internationaler Kritik nicht mehr zu halten war, gab Wolfowitz nach zähem Ringen um jedes Wort der Abgangs-Erklärung jetzt sein Amt auf. Damit wird der Schlussstrich unter einen wochenlangen Machtkampf unter den Bank-Ländervertretern gezogen, bei dem am Ende neben Wolfowitz auch US-Präsident George W. Bush als eindeutiger Verlierer dasteht.Viel zu lange hatte der Texaner einem Mann den Rücken gestärkt, der einst zu seinem innersten Beraterzirkel zählte und als einer der "Architekten" des Irak-Krieges gilt. So wie Bush sein beim Amtsantritt vor sieben Jahren vollmundig propagiertes Ziel, wieder Ehre und Anstand ins Weiße Haus einziehen zu lassen, angesichts der zahlreichen Regierungsskandale verfehlt hat, so blamierte sich Wolfowitz am Ende in der für einen Verteidigungsfachmann ungewohnten Weltbank-Chefetage bis auf die Knochen: Angetreten mit dem Vorsatz, Korruption und Vetternwirtschaft in der Organisation auszumerzen, stolperte er am Ende ausgerechnet über eine Verfehlung aus dieser Kategorie - unabhängig von der Frage, ob vielleicht auch unklare Regeln zu der Diskussion um Verfehlungen beigetragen haben. Denn um eine saubere Weste zu behalten, hätte es nur eines einzigen Schrittes bedurft: sich persönlich von Anfang an ganz aus der Beförderung seiner Lebensgefährtin herauszuhalten, deren plötzlicher Gehaltssprung um gut 60 000 Dollar natürlich nicht von Anrüchigkeit frei ist. Doch die Versuchung war offenbar zu groß.

Nun hat die durch die Affäre lange paralysierte Weltbank die Chance eines Neubeginns -wobei man dem US-Präsidenten, der traditionell das Vorschlagsrecht für die Führungsposition hat, eine bessere Hand als zuletzt wünschen muss.

 Friedemann Diederichs

Friedemann Diederichs

Foto: (Bildarchiv Saarbrücker Zeitung)
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