Leidensdruck nicht hoch genug

In Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf, sagt der Volksmund. Dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die meisten Unternehmen kein Interesse daran haben, in familienfreundliche Angebote für ihre Mitarbeiter zu investieren, muss zunächst nicht verwundern.

Spricht bereits die Tatsache für sich, dass bei einer aktuellen Umfrage des Bundesfamilienministeriums nur neun Prozent der angeschriebenen 10 000 Unternehmen sich zum Thema überhaupt geäußert haben, so liefert die Auswertung der Rückmeldungen aber interessante Details: Für drei Viertel der 900 Betriebe, die sich zu Wort gemeldet haben, ist Familienfreundlichkeit ein wichtiges, vertrautes Thema. Sie bieten ihren Beschäftigten flexible Arbeitszeiten - für Arbeitnehmer mit Kindern eines der wichtigsten Zugeständnisse überhaupt. Zwei Drittel dieser Firmen würden "ihren" Eltern sogar weitere Angebote machen, wenn diese steuerliche Vorteile brächten oder die Beschäftigten ein weiteres Entgegenkommen wünschten. Dass Letzteres nicht geschieht, mag daran liegen, dass die Beschäftigten derzeit andere Sorgen plagen - die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. Der Ruf der Unternehmer nach Steuervorteilen zeigt: Die Politik wird mehr bieten müssen als die von Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) angekündigte rein organisatorische Unterstützung von geplanten "lokalen Bündnissen für Familien". Gewinnstreben ist der Motor unserer Wirtschaft. Und die von der Ministerin geforderte Familienfreundlichkeit als Markenzeichen der Wirtschaft wird sich unbedingt auch in Form klingender Münze auszahlen müssen. Renate Schmidts düstere Prophezeihung, ohne familienfreundliche Angebote werde die Wirtschaft in einigen Jahren Probleme bekommen, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, ist für viele Unternehmer noch Zukunftsmusik: Das Thema erzeugt hier und heute keinen Leidensdruck, der groß genug wäre, die Firmenchefs zum Handeln zu zwingen. Glaubwürdige Familienförderung kann sich aber nicht darin erschöpfen, nur die gesetzlichen Vorgaben - etwa das Recht auf Teilzeitarbeit - zu erfüllen. Sie ist vielmehr für die Unternehmen auf Dauer überlebenswichtig. Zudem: Nur zufriedene Arbeitnehmer sind auch hoch motivierte Arbeitnehmer und damit für die Firmenchefs das wichtigste Kapital. s.ganz@volksfreund.de

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