Liebe Leserin, lieber Leser!

Vor 14 Tagen starb Gaston Thorn. In den 70er Jahren war der Liberale Regierungschef in Luxemburg. Am 6. Januar 1981 trat er in Brüssel das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission an.

Am 11. Mai empfing er mich in Brüssel zu einem Interview. Einen Tag zuvor, am 10. Mai 1981, war mit François Mitterrand in Frankreich erstmals ein Sozialist mit den Stimmen der Kommunisten zum vierten Staatspräsidenten der fünften Republik gewählt worden. Was würde diese Wahl wohl für Auswirkungen auf den europäischen Integrations-Prozess haben, war denn auch meine erste Frage an Thorn. Der Luxemburger zeigte sich außerordentlich besorgt: "Für uns alle stellt sich die Frage: Wie wird Mitterrand regieren - oder regieren lassen - zwischen einer potentiellen KP-Bremse und andererseits einer RPR, also einer Chirac-Gruppe, die ihrerseits nun auch verschiedene Reserven anmeldet? Wir sind da sehr ängstlich." Diese Aussagen wurden von den Nachrichten-Agenturen weltweit verbreitet; selbst die "New York Times" druckte sie. Und in Frankreich schlugen sie wie eine Bombe ein. Nach empörten Interventionen aus der Umgebung Mitterrands musste sich Thorn zwei Tage lang in einer Interview-Serie in Hörfunk und Fernsehen zu rechtfertigen versuchen mit dem Argument, er sei missverstanden worden. Wohl wissend, dass es eine unmissverständliche Tonband-Aufzeichnung seiner kritischen Aussagen gab. Aber so funktioniert Politik nun einmal.Ein schönes Wochenende.

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