Meisterstück oder Supergau

Angela Merkel ist stürmische Zeiten gewohnt. Die leidigen Auseinandersetzungen mit ihren Erzrivalen Roland Koch oder Friedrich Merz hängen sich immer mal wieder wie die berühmte Klette an die CDU-Vorsitzende.

Auch CSU-Chef Edmund Stoiber macht zwar gerne in schwesterparteiliche Harmonie. In der Sache aber, vor allem in puncto Machtgefüge stellt sich der Bayer mitunter gerne gegen die Ostdeutsche. Bislang hat Merkel der Männerriege und deren persönlichen Eitelkeiten weitgehend unbeschadet getrotzt. In dem sie die Frage nach ihren Führungsqualitäten schlichtweg ignorierte. Das geht nun nicht mehr. Denn sie will jetzt die Union zur antreibenden Reformpartei machen. Sollte Merkel allerdings dieses erste Meisterstück auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur 2006 in den nächsten Wochennicht gelingen, dürfte dies ihr persönlicher Supergau werden. Vielleicht ist deshalb der Widerstand auf einmal so immens gegen den harten Reformkurs der Vorsitzenden. Es geht nicht allein um die mangelnde soziale Ausgewogenheit der Herzog-Pläne zur Sanierung der sozialen Sicherungssysteme. Über diesen Punkt muss hart gestritten werden, und die Frau an der Spitze der Union bietet taktisch klug der Kritik mit den Regionalkonferenzen ein ernst zu nehmendes Forum. Nein, Merkels Widersacher haben Lunte gerochen, sie merken, die CDU-Chefin versucht nach langem Hin und Her so deutlich wie nie, die Partei hinter sich zu einen und ihr programmatisch den seit langem fehlenden Stempel aufzudrücken. Und nicht nur das. Es kommt hinzu, dass es ihr auf der anderen Seite des politischen Lagers mit dem Konzept "Kompromiss statt Blockade" bereits geschickt gelungen ist, Kanzler Gerhard Schröder in den eigenen Reihen in Bedrängnis zu bringen. Rechnet man also zusammen, zeigt sich deutlich und nicht einmal versteckt ein neuer Machtwille der Angela Merkel gegenüber ihrer internen Konkurrenz namens Koch oder Stoiber - was manchen in der Partei ungemein schmerzen dürfte. Die Strategie der Christdemokratin beinhaltet jedoch auch einige Unbekannte. Merkel weiß das. Im Wirrwarr der Reformen und Kommissionen muss sie nämlich alsbald auch dem Bürger klar machen, wofür die Union definitiv stehen wird. Bislang erleben die C-Parteien ihr Umfragehoch ja nicht aufgrund der besseren Konzepte, sondern wegen der dramatischen Schwäche der SPD. Überdies sitzt ihr die CSU kräftig im Nacken und auch in der CDU gibt es nicht wenige, die die soziale Komponente bei den Reformen hoch halten und nicht vollends aus den Augen verlieren wollen. Insofern ist noch lange nicht klar, inwieweit die Partei ihrer Vorsitzenden bei ihrem harten Kurs überhaupt folgen wird. Setzt sich Merkel am Ende daher nicht durch, würde dies nur die Kritiker bestätigen, die an ihren Führungsfähigkeiten zweifeln. Die CDU-Chefin wäre jedoch auch grandios mit ihrer groß angekündigten Kursbestimmung gescheitert,im Macht-Wettstreit der Unionisten dürfte sie dann nur noch eine kleine Rolle spielen. Merkels Supergau eben. Es bleibt also spannend - auch bei der Opposition. nachrichten.red@volksfreund.de

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