Millionen im Abseits

Die Wucht der Zahl lässt einen zusammenzucken. Fünf Millionen Menschen sind arbeitslos, stehen also im gesellschaftlichen Abseits. Ein Schicksal, von dem zusätzlich zig Millionen Familienangehörige betroffen sind.

Tatsächlich liegt die Arbeitslosigkeit in der drittstärksten Volkswirtschaft der Erde noch um ein Vielfaches höher. Die aufgeschlüsselten Zahlen sind abstrakt, sie ändern sich ständig und sie werden gern politisch interpretiert. Jedenfalls sind von den 82 Millionen Einwohnern in Deutschland nur rund 37 Millionen Menschen erwerbstätig. Fünf Millionen sind wie erwähnt ohne Job, die restlichen 40 Millionen gelten als "Nichterwerbspersonen": Kinder und Studenten, Rentner und Hausfrauen, Kranke und Lebenskünstler. Doch - und da stößt die Statistik an ihre Grenzen - wer soll als "Arbeitsloser" zählen und wer nicht? Ist der nur gelegentlich beschäftigte Zeitarbeiter arbeitslos? Wie soll der Minijob gewichtet werden? Was ist mit Teilzeit- und Kurzarbeitern, Frührentnern, Altersteilzeitlern, Ein-Euro-Jobbern, ABMlern, den in Weiterbildungsmaßnahmen befindlichen Personen? Muss man also, um der Wahrheit die Ehre zu geben, zu den offiziellen fünf Millionen nicht noch weitere Millionen hinzu zählen? Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat die Januar-Zahl "schrecklich" genannt. Der Mann hat Recht. Noch schrecklicher aber wirkt das offenkundige Unvermögen der Politik und der "gesellschaftlichen Kräfte", an diesem unhaltbaren Zustand Entscheidendes zu ändern. Zwar zerbrechen sich die Experten weltweit den Kopf, wie man dem Problem Herr werden könnte. Doch eine überzeugende Antwort haben weder die Angebots- noch die Nachfrage-Theoretiker gefunden. Jedenfalls sind in Deutschland, ungeachtet der offiziellen Statistik, deutlich mehr als fünf Millionen Menschen auf der Suche nach einem "richtigen" Job, der neben dem Einkommen auch soziale Teilhabe und Selbstbewusstsein vermittelt. Ihre Chancen indes stehen nach wie vor schlecht. Der Anpassungsprozess der deutschen Wirtschaft ist noch nicht abgeschlossen, der Wettbewerbsdruck hält an, die Binnenkonjunktur kommt nicht in Schwung. Wenig spricht dafür, dass ausgerechnet Hartz IV die Rezeptur zum Besseren darstellen könnte. Immerhin, ein positiver Effekt ist zu verzeichnen: Die Reform hat in vielen Köpfen das selbstverantwortliche Denken aktiviert. Man kümmert sich wieder mehr, die Lethargie scheint auf dem Rückzug. Arbeitsplätze kann allerdings nur die Wirtschaft schaffen - die dafür den Lockruf des Profits benötigt. Auf diese simple Logik muss die Politik reagieren. Wer sich mit der "schrecklichen Zahl" nicht abfinden will, muss also die Rahmendingungen verbessern, die Kaufkraft stärken, die Bürokratie eindämmen und endlich ein schlichtes Steuersystem ohne Schlupflöcher beschließen. nachrichten.red@volksfreund.de

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