Misstrauen wächst

Noch haben wir bei uns keine amerikanischen Verhältnisse. In den USA hat fast jeder Fünfte keine Absicherung für den Krankheitsfall. Trotzdem muss die zunehmende Zahl der Versicherungsverweigerer zu denken geben.

Nicht nur, dass jeder Nichtversicherte ein unkalkulierbares finanzielles Risiko für sich selbst eingeht. Er weigert sich auch, seinen Beitrag für das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem zu leisten. Eine gefährliche Entwicklung in einer Zeit, in denen das Defizit der gesetzlichen Kassen immer größer wird. Auch wenn die Zahl der Nichtversicherten noch nicht wirklich dramatisch ist, so ist sie doch ein Signal für wachsende Unzufriedenheit. Immer mehr misstrauen den gesetzlichen Krankenversicherungen. Zunehmend werden Leistungen aus dem Katalog der Kassen ausgeklammert und können nur noch über private Zusatzversicherungen abgesichert werden. Das führt dazu, dass offenbar immer mehr Beitragszahler glauben, sie bekämen keine ausreichende medizinische Versorgung mehr. Gegenüber Privatpatienten fühlen sie sich als Patienten zweiter Klasse. Sie bezahlen viel Geld für ihre Krankenversicherung, bekommen jedoch dafür keine volle Leistung mehr. Mit ein Grund für die Versicherungsmüdigkeit ist sicherlich, dass sich viele keine Zusatzversicherungen leisten können oder wollen. Und immer mehr sparen leichtsinnigerweise sogar am gesetzlich garantierten Mindestschutz. Es verwundert daher nicht, dass die Angst, krank zu werden, immer größer wird. Die Zahl der Krankmeldungen in den Betrieben geht deutlich zurück, die Arztbesuche werden immer weniger - wer krank ist, beißt die Zähne zusammen. Dabei steht wohl vor allem die Angst im Vordergrund, sich Behandlungen nicht mehr leisten zu können. Ein gefährliches Klima des Misstrauens, das Politik, Ärzte und Kassen durchbrechen müssen. Statt immer nur zu jammern, was nicht mehr geht, sollte verstärkt vermittelt werden, wie leistungsstark das deutsche Gesundheitssystem trotz allem noch ist. b.wientjes@volksfreund.de

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