Ohne Rezepte

Wer in den USA Präsident werden will, braucht Ideen - und einen Plan. Das denkt man jedenfalls. Nun hat Demokraten-Kandidat John Kerry nach langem Zögern seine Vorstellungen präzisiert, wie er im Falle eines Wahlsiegs das Irak-Dilemma in den Griff bekommen will.

Vier Punkte hat sich dabei der Bush-Herausforderer auf die Agenda geschrieben: Mehr internationale Hilfe beim Wiederaufbau, besseres Training für die irakischen Sicherheitskräfte, Arbeitsplatzbeschaffung für die Iraker sowie eine Sicherstellung der Wahlen im kommenden Jahr. Das alles klingt zunächst gut am Rednerpult vor jubelnden Anhängern, doch die Antworten auf Kernfragen gibt Kerry damit noch lange nicht: Glaubt er tatsächlich, dass persönlicher Charme und Redekunst ausreichen, um Regierungen in Paris, Berlin oder Moskau dazu zu bringen, eigene Soldaten oder Hilfspersonal in ein Feuer zu schicken, das diese Länder nicht angezündet haben? Und wie will Kerry Wahlen sicherstellen, wenn in Städten wie Ramadi, Falludschah oder Nadschaf weiter Guerillas und Anarchie herrschen und frisch angeworbene irakische Soldaten bei ersten Anzeichen von Gefahr das Weite suchen oder zu den Extremisten überlaufen? Kerrys Problem ist zudem, dass seine Ziele mit denen Bushs deckungsgleich sind. Und die neue überraschende Ansicht des Demokraten, Saddam Hussein hätte man besser im Amt belassen sollen, ist eine vollständige Kehrtwende zu allen bisherigen Aussagen. Dem Wahlvolk dürfte angesichts dieser immer peinlicheren Positions-Pirouetten längst schwindelig geworden sein - und davon profitiert vermutlich am Ende ausgerechnet George W. Bush, dessen gestrige Rede vor der UN-Vollversammlung das Thema Irak schon gar nicht mehr zum Mittelpunkt hatte. Der konservative Texaner setzt hier ganz offensichtlich auf das Prinzip "Aus den Augen (und den Ohren), aus dem Sinn” und gibt sich stattdessen als Visionär für eine bessere Welt. Das riecht verdächtig nach einer Flucht vor einer Problemstellung, bei der der US-Präsident wie auch sein Herausforderer bisher nicht erkennen ließen, dass sie erfolgversprechende Rezepte besitzen, um den Karren doch noch aus dem irakischen Dreck zu ziehen. nachrichten.red@volksfreund.de

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