Sieger-Justiz?

Geht es nach US-Präsident Bush, so hat Saddam Hussein in dem heute beginnenden Prozess in Bagdad "die härteste Strafe" verdient. Was der Texaner, schon immer ein eifriger Propagandist von Hinrichtungen, damit meint, dürfte jedem klar sein.

Doch sowohl die USA wie auch europäische Politiker sollten sich mit den so beliebten Ratschlägen zum Strafmaß und zum Ausgang des Verfahrens zurückhalten. Denn was mit dem Despoten letztlich geschieht, ist von heute an ganz allein Sache des von Saddam Husseins mörderischem Regime so in Mitleidenschaft gezogenen irakischen Volkes. Vielfach wird dabei die Ansicht vertreten, der Prozess solle nicht nur ein erstes deutliches Beispiel für einen wirksamen Rechtsstaat liefern, sondern am Ende auch zur Aussöhnung der irakischen Volksgruppen beitragen. Doch gerade mit letzterem misst man dem juristischen Verfahren eine allzu gewaltige Rolle zu und fordert einen Beitrag, den es wohl nicht wird leisten können. Denn für viele Sunniten ist Saddam Hussein immer noch ein Idol, während man es den Kurden im Nordirak durchaus nachsehen kann, dass diese den Ex-Diktator möglichst schnell am Galgen baumeln sehen wollen. Unvergessen sind schließlich auch über den Irak hinaus die Bilder der von Giftgas brutal getöteten Männer, Frauen und Kinder im Norden des Landes - ein Einsatz, den Saddams Cousin befohlen hatte. Zwar muss Saddam Hussein juristisch nachgewiesen werden, dass er für dieses Massaker die Verantwortung trägt. Doch bei anderen Vorwürfen - wie dem jetzt im ersten Verfahren zu verhandelnden Mord an 143 Bewohnern einer zentralirakischen Stadt - steht die persönliche Rolle des Despoten angesichts von eindeutigen Filmdokumenten und zahlreichen Zeugen außer Frage. Dennoch werden wir in den nächsten Wochen wieder von Kritikern des Strafprozesses den Begriff der "Siegerjustiz" hören - auch, weil Beamte des US-Justizministeriums im Nachkriegs-Chaos irakischen Staatsanwälten bei den Ermittlungen und dem Sammeln von Beweisen geholfen haben. Doch dies ist eigentlich nur eine überflüssige Neben-Debatte: Denn der Prozess dürfte - unabhängig von den Fragen nach den Kriegsgründen oder der Legitimität der Invasion - in allen schauerlichen Einzelheiten erneut und nachdrücklich deutlich machen, mit welchen unmenschlichen Mitteln es jahrzehntelang einer Despotenfamilie gelang, ein ganzes Land zu tyrannisieren. Dass es hierfür eine Strafe geben muss, daran kann kein Zweifel bestehen. nachrichten.red@volksfreund.de

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