Spiel auf Zeit

Wird das von den USA und Europa gemeinsam geschnürte Kompromisspaket für Teheran den Durchbruch im Atomstreit bringen? Nach den Erfahrungen der Vergangenheit mit dem Mullah-Regime erscheint dies eher unwahrscheinlich.

Gestern bereits baten iranische Regierungsvertreter um "mehr Zeit" für eine Prüfung des Angebotes. "Mehr Zeit" - das ist, so zeigte das diplomatische Katz- und Maus-Spiel der vergangenen Monate, ohnehin das Hauptziel Teherans. Denn diese Zeit lässt sich für ungestörte Forschungsarbeiten nutzen, die das Land - daran kann nach den entlarvenden Aktivitäten der letzten Jahre kein Zweifel mehr bestehen - einer nuklearen Bewaffnung näher bringen werden. Die jetzt von EU-Chef Solana präsentierten Handelszugeständnisse - von Flugzeug-Ersatzteilen bis hin zu amerikanischer Agrartechnologie - sind realistisch gesehen nur ein schwacher Ersatz für den von Teheran angestrebten "großen Preis", den Besitz einer Atombombe. Außerdem lassen sich die nun ins Aussicht gestellten Teile üblicherweise auf dem "schwarzen" Weltmarkt finden, wenn denn nur die Kasse stimmt. Und haben die Mullahs erst einmal einen nuklearen Sprengsatz in Händen, werden sie nicht nur eine unbestreitbare Führungsrolle unter allen islamischen Nationen des Nahen Ostens einnehmen, sondern auch eine einzigartige Verhandlungsposition gegenüber Europa und den USA besitzen. Die hochnervösen Reaktionen der Märkte auf iranische Drohungen haben zu Beginn dieser Woche gezeigt, welche Folgen allein schon Gedankenspiele Teherans haben können, an der Ölschraube zu drehen. Selbst ein kurzfristiger Exportstopp oder eine Blockade der Straße von Hormus wären in Zukunft eine ernsthafte Gefährdung für die Konjunktur der westlichen Industrienationen. Mit dieser Option würden die Mullahs dann endgültig alle Fäden in der Hand halten. Denn wer würde schon Strafmaßnahmen oder Repressalien gegenüber einem dann atomar bewaffneten Regime erwägen, das gemeinhin als unberechenbar gilt? nachrichten.red@volksfreund.de

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