Unsägliches Gezerre

Niemand muss Lothar Bisky mögen. Man kann ihn als Wendehals beschimpfen, ihn der Stasi-Spitzelei verdächtigen und überhaupt die gesamte Linkspartei für eine verkappte SED-Nachfolgeorganisation halten.

Das alles aber erklärt in keiner Weise das, was gestern im Berliner Reichstag zum vierten Mal bei der Wahl des stellvertretenden Bundestagspräsidenten passiert ist. Dieses absurde Gezerre ist eines demokratischen Parlaments unwürdig, und die Kommentare danach triefen geradezu vor Verlogenheit. Keiner von denen, die Bisky gnadenlos abstraften, hat dafür eine plausible Erklärung liefern können. Für die immer wieder behauptete Stasi-Spitzelei gibt es keine Beweise. Zumal er eine erneute Überprüfung seiner Person selbst angeboten hatte. Auch die fadenscheinige Begründung, er werde als Parteivorsitzender das Amt des stellvertretenden Parlamentspräsidenten nicht unparteiisch ausüben, ist nicht mehr als eine Killerphrase. Woher wollen die Nein-Sager das wissen? Lothar Bisky ist 64, er ist Vorsitzender einer demokratischen Partei, die in Fraktionsstärke mit über 50 Abgeordneten im Bundestag sitzt. Und dieser Mann sollte nach dem Willen dieser Partei zum Ausklang der politischen Karriere mit dem Vizeposten belohnt werden. Eine Vorgehensweise, die trotz aller Kritik von allen Parteien seit Jahrzehnten so praktiziert wird. Statt eine simple und nicht wirklich wichtige Personalfrage nüchtern zu entscheiden, hat es die Mehrheit des Deutschen Bundestages gestern vorgezogen, die Linke erneut am Nasenring durch die Polit-Arena zu ziehen - ein schwerer Fehler, denn immerhin repräsentiert sie fast zehn Prozent der Wählerstimmen. d.schwickerath@volksfreund.de

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