Verpasster Anschluss

Arbeitslosigkeit, enttäuschte Hoffnung, fehlende Perspektive - der Weg nach Deutschland führte viele Aussiedler nicht in den goldenen Westen. Ehemaligen Auswanderern und ihren Nachfahren, denen gerade in der Sowjetunion über Jahrzehnte übel mitgespielt wurde, die Tür zur Rückkehr zu öffnen, war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs politisch erwünscht.

Doch die Umsetzung der lobenswerten Absicht war fehlerhaft angelegt. Das Versagen der Politik ist mit entscheidend dafür, dass noch immer Aussiedler in der Bundesrepublik eher gestrandet als wirklich angekommen sind. Die hohe Kriminalitätsrate unter jüngeren Russlanddeutschen ist eine Folge davon. Mehr als 100 000 Aussiedler kamen jährlich in ein unvorbereitetes Land und wurden meist in geräumten Militärstandorten untergebracht. Die fatalen Folgen: Die Menschen landeten in strukturschwachen Gebieten, in der Arbeitslosigkeit und in Wohngegenden, in denen sie unter sich blieben. Die Jüngeren verpassten mit ungenügenden Sprachkenntnissen, ohne qualifizierte Ausbildung und ausreichenden Bezug zum Land ihrer Vorfahren erst recht den Anschluss. Waren sie in Russland die ausgegrenzten Deutschen, fühlen sie sich in Deutschland als ungeliebte Russen. Frustration, Sucht, mangelndes Rechtsempfinden und nicht gerade westeuropäisch geprägte Mentalität rechtfertigen in keiner Weise ein Abgleiten in kriminelles Milieu. Doch sie bilden eine gefährliche Gemengelage. Mit dem Ruf nach Polizei ist es nicht getan. Menschen, die ins Land geholt werden, müssen eine echte Chance zur Integration erhalten. Nur so wird Kriminalität der Boden entzogen. j.winkler@volksfreund.de

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