Zur Erinnerung verurteilt

Ein Manntötet seine Ehefrau. Er gesteht und wird verurteilt: ein JahrFreiheitsstrafe auf Bewährung und eine Geldbuße. MancherGewalttäter wandert schneller in den Knast, selbst mancherVerkehrssünder wird härter bestraft. Ein zu mildes Urteil? DieRichter, die in Mainz über den Fall des Ludwigshafener Rentnerszu entscheiden hatten, waren wahrlich nicht zu beneiden. Denn eswar eben kein "gewöhnlicher" Totschlag, kein Mord aus Habgier,Eifersucht oder im Affekt. Es war, so urteilten die Richter,"Tötung auf Verlangen", ein Straftatbestand, für den das GesetzFreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vorsieht.Die getötete Frau war nicht sterbenskrank, aber sie war nacheinem Schlaganfall querschnittsgelähmt, konnte nicht mehrsprechen, sah offenbar keine Perspektive mehr, wollte sterben.Das Gericht hatte deshalb über eine hochkomplexe,ethisch-moralische Debatte zu entscheiden. Die Debatte darüber,ob aktive Sterbehilfe verboten bleiben und bestraft werden muss,weil im christlichen Sinne menschliches Leben nicht in derVerfügungsgewalt des Menschen liegt. Oder ob aktive Sterbehilfeetwa im Sinne der Gesellschaft für humanes Sterben nichts anderesist, als die konsequente Fortsetzung des Rechts aufSelbstbestimmung, das Selbsttötung und zugleich auch die Hilfedazu einschließt. Die Richter haben ein mildes Urteil gefällt und sich damit im Prinzip auf die Seite derjenigen geschlagen, die Sterbehilfe als Ausdruck des Mitleids sehen. So wie der Rentner selbst, der seine Frau "aus Liebe von ihren Leiden" erlösen wollte. Die Richter sprachen von einer " Tragödie". Wem das Urteil dennoch nicht angemessen erscheint, der sollte daran denken, dass diese Tragödie eben noch längst nicht beendet ist. Denn die wirkliche Strafe verhängte nicht das Gericht. Die wirkliche Strafe für den verzweifelten Mann sind die zukünftigen Erinnerungen: an die Liebe seines Lebens und an die schrecklichen Minuten, in denen er ihr Leben beendete.

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