Wirtschaft, deine Stammesfürsten

Sie kommt so zuverlässig wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten: Die Nachricht, dass Frauen kaum Chancen haben, beruflich in höchste Positionen aufzusteigen.

Von Jahr zu Jahr sucht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Unternehmen nach weiblichen Führungskräften ab und gelangt trotz schwülstiger Lippenbekenntnisse deutscher Chefs zum immer gleichen Ergebnis. Frauen müssen meistens draußen bleiben. Beim Frauenanteil in Vorständen beispielsweise liegt Deutschland laut dem Vergleich von elf industrialisierten Ländern, darunter Brasilien und Spanien, auf dem letzten Platz – gleichauf mit dem Schwellenland Indien. Selbst deutsche Konzerne in Staatsbesitz schneiden kaum besser ab als die Privatwirtschaft. Die Forderung nach einer Frauenquote, die, wie diese Woche wieder, reflexartig auf die regelmäßige Veröffentlichung des Managerinnen-Barometers folgt, habe ich besonders in jüngeren Jahren vehement abgelehnt. Welche gut qualifizierte, leistungsbereite und selbstbewusste Frau will schon einen Spitzenposten auf Quotenticket? Mittlerweile muss ich einsehen, dass mein Vertrauen in den Realitätssinn der Wirtschaftselite reichlich naiv war.

Seit den 1970er Jahren ist die Zahl der Geburten dramatisch zurückgegangen.

Das heißt, bereits jetzt und verstärkt in naher Zukunft stehen immer mehr Rentner immer weniger Erwerbstätigen gegenüber. Der Fachkräftemangel, unter dem Betriebe schon heute leiden, wird sich weiter verschärfen. Wir reden also nicht über ungewisse Entwicklungen, sondern über Fakten, deren Folgen vorhersehbar und planbar sind und waren. Warum werden kompetente Frauen trotzdem nach wie vor von der Entscheidungs- und Gestaltungsmacht ausgeschlossen, obwohl die Wirtschaft sie eigentlich dringend braucht und alle Studien belegen, dass geschlechtergemischte Führungsteams erfolgreicher sind als reine Männerzirkel?

Ich glaube, weil selbst starke Frauen die Spielregeln einfach nicht kennen oder sich bestenfalls nicht für sie interessieren.

Anders als vielen Alpha-Männern fehlt ihnen häufig der Sinn für Status, der dickste Firmenwagen, die teuerste Büroeinrichtung, den höchsten Bonus, den beeindruckendsten Titel. Dies alles sind Symbole, die im Wirtschaftsolymp eine entscheidende Rolle spielen. Nach dem Motto, wer in der Lage ist, für sich den größten Batzen herauszuschlagen, kämpft auch engagiert für die Firma, wird Personal rekrutiert. Wie weit uns diese Küchenpsychologie geführt hat, wissen wir spätestens seit der jüngsten globalen Finanzkrise, die uns maßlose und eigensüchtige Manager eingebrockt haben. Aufräumen und auf Kosten der Allgemeinheit Rettungsschirme aufspannen musste später die Politik. Hierzulande, wo dies besonders erfolgreich gelungen ist, unter Führung einer Frau, der Bundeskanzlerin.

Dass die meisten Firmenfürsten weibliche Teilhabe an der Macht nicht als Chance begreifen, mag nicht einmal böse Absicht sein. Mit Scheuklappen nimmt man eben nur eingeschränkt wahr. Aber so wird Deutschland beim globalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe auf Dauer abgehängt.

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