ADD Trier: Berufliche Heimat für 105 Behinderte

Trier · Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier erreicht eine Beschäftigungsquote von zehn Prozent. Der Weg zur vorbildlichen Behörde war allerdings lang und manchmal steinig. Ein Blick hinter die Kulissen.

Wenn es um die Rechte von Behinderten geht, versteht Lydia Schäffer keinen Spaß. Die Vertrauensfrau der schwerbehinderten Menschen bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier sitzt selbst im Rollstuhl und weiß aus jahrelanger Erfahrung, dass der Kampf für behindertengerechte Arbeitsbedingungen nicht immer einfach ist. Dass er sich lohnt, steht für sie allerdings außer Frage.
"Barrierefreiheit nutzt allen Menschen", ist Schäffer überzeugt.

Und wenn sie, die 1988 bei der damaligen Bezirksregierung die erste Mitarbeiterin im Rollstuhl war, auf der Rampe zum Nebeneingang ins Kurfürstliche Palais Müttern mit Kinderwagen oder älteren Besuchern des Gebäudes begegnet, sieht sie jedes Mal einen Beweis dafür. Die Rampe wurde 2001 gebaut. "Ursprünglich sollten da Stufen hin, aber als ich mit Verweis auf das Gleichstellungsgesetz beim Landesbetrieb Druck gemacht habe, wurde es dann doch anders gemacht."

Die Rampe mit der automatisch sich öffnenden Tür ist nur ein Beispiel für das Engagement bei der ADD, möglichst vielen schwerbehinderten Menschen gute Arbeitsbedingungen zu bieten. "Wir schauen darauf, was die Leute können, und nicht darauf, was sie nicht können", sagt Harald Eiß, der als stellvertretender Leiter der Zentralabteilung für die Organisation der - inklusive Nebenstellen - 1100 Mitarbeiter umfassenden Behörde ebenso viel Verantwortung trägt wie für die finanziellen Dinge sowie die Informations- und Kommunikationstechnik.

105 Mitarbeiter der ADD sind schwerbehindert, zum Teil sogar mehrfach. Für die Behindertenquote von zehn Prozent hat die Direktion nun den Landespreis für die beispielhafte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Bereich öffentlicher Dienst bekommen. "Für uns ist das Ansporn, die Barrierefreiheit unserer Arbeitsplätze weiter zu erhöhen", sagt Eiß. Einfach sei das nicht immer, weiß er aus Erfahrung.

Denn die ADD habe ihre Gebäude beim Landesbetrieb LBB gemietet. Nicht jede Umbaumaßnahme könne deshalb unkompliziert und schnell erfolgen. So ist zum Beispiel an der ADD-Außenstelle am Kornmarkt für Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe Schluss. Eine flache Rampe gehört zu den Wünschen, für die sich auch Lydia Schäffer einsetzt.

Für Martin Schulte, den stellvertretenden Referatsleiter der Kommunalaufsicht, ist die Rampe nicht das größte Problem. Der Jurist, der in einem Büro im Obergeschoss des Gebäudes am Kornmarkt arbeitet, kann durch eine Erkrankung nur noch wenig sehen. Zum Glück habe sich die fortschreitende Sehbehinderung stabilisert, sagt er. "Ohne mein elektronisches Vergrößerungsgerät wäre ich nicht in der Lage, Schreiben und Gesetzestexte zu lesen." Diktier- und Vorlesefunktionen am Computer machen ihm die verantwortungsvolle Arbeit möglich.

Gabriele Müllers arbeitet in dem roten Gebäude mit dem markanten Turm, das den Konstantinplatz vom Willy-Brandt-Platz trennt. Seit Juli 2010 ist die schwerbehinderte Frau Sachbearbeiterin in der Schulabteilung. "Meine Kollegen und meine Chefin sind sehr nett", sagt die 43-Jährige, die wegen spastischer Tetraplegie rund um die Uhr Betreuung und Hilfe benötigt. "Mein Arbeitsplatz wurde komplett umgebaut, damit ich möglichst selbstbestimmt arbeiten kann. Ich bin gerne hier." Dass sie im ADD-Chor singt, ist für Gabriel Müllers kaum einer Erwähnung wert. Der Umgang miteinander sei hier eben vollkommen unkompliziert.

Vertrauensfrau Lydia Schäffer hört das gerne, zumal sie auch Zeiten erlebt hat, in denen das nicht so war. "Ich war immer ein Eisbrecher für die Belange behinderter Menschen", sagt sie nicht ohne Stolz. Sie freue sich, dass mit dem neuen Bundesteilhabegesetz die Rechte der Menschen weiter gestärkt wurden. Sie wird sich auch in Zukunft mit aller Kraft für ihre Kollegen einsetzen.

Für ADD-Haushaltsexperte Eiß ist klar, dass es eine vorbildlich behindertenfreundliche Behörde in Zeiten der Schuldenbremse nicht zum Nulltarif gibt. "Jeder Umbau hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Miete. Wir hoffen, dass die notwendigen Haushaltsmittel auch in Zukunft zur Verfügung stehen werden." Mit der Auszeichnung durch die Landesregierung lasse sich nun aber auch werben. "In den kommenden Jahren werden hier eine Reihe von Leuten in den Ruhestand gehen. Ich kann nur dazu ermutigen, sich bei uns zu bewerben. Wir bieten angenehme Arbeitsbedingungen für alle jungen Menschen."Extra: Die gesetzlichen Regelungen

Das Schwerbehindertenrecht ist im Sozialgesetzbuch (SGB IX) geregelt. Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) wacht darüber, dass die Nachteilsausgleiche der Gesetze und Tarifverträge (zum Beispiel Barrierefreiheit bei Neu- und Umbauten) eingehalten werden, beantragt Maßnahmen für schwerbehinderte Menschen beim Arbeitgeber, berät und unterstützt die Beschäftigten bei Anträgen auf Feststellung einer Behinderung und der Einrichtung eines Arbeitsplatzes. Das Beteiligungsrecht der SBV durch den Arbeitgeber geht deutlich weiter, als das des Personalrates. Wird hiergegen verstoßen, gibt es allerdings keine Sanktionen. Deshalb stärkt das neue Bundesteilhabegesetz die Rechte der SBV. Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben einen individuellen Anspruch auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz.In der Region liegt die Quote bei 4,0 Prozent

3172 schwerbehinderte Menschen sind in der Region Trier nach Auskunft der Agentur für Arbeit in 807 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern beschäftigt. Dem stehen 3713 Pflichtarbeitsplätze entgegen. Daraus errechnet sich eine Beschäftigungsquote von 4,0 Prozent. Der Landesschnitt in Rheinland-Pfalz liegt bei 4,1 Prozent. der Bundesdurchschnitt bei 4,7 Prozent.

Insgesamt arbeiten in der Region 5489 Menschen mit Behinderung. Mit über 2000 Beschäftigten ist der Öffentliche Dienst der größte Sektor. 1194 Männer und Frauen mit Handicap arbeiten im verarbeitenden Gewerbe, gefolgt vom Gesundheits- und Sozialwesen mit 713 Mitarbeitern. In den Bereichen Handwerk, Baugewerbe, Erziehung und Unterricht, der Logistikbranche sowie in der Finanz- und Versicherungsbranche sind zwischen 100 und 400 Behinderte beschäftigt. 65 Prozent aller schwerbehinderten Arbeitslosen sind über 50 Jahre alt.

Diskussion und Videomaterial

Das Trierer Wirtschaftsgespräch der Friedrich Ebert Stiftung am Dienstag, 7. Februar, 19 Uhr, im IHK-Tagungszentrum Trier, Herzogenbuscher Straße, steht unter dem Motto: "Arbeitsmarkt inklusiv: Chancen, Risiken, Nebenwirkungen". Prominenteste Teilnehmerin der Diskussion, die von SPD-Generalsekretärin Katarina Barley moderiert wird, ist die Bundesbeauftragte Verena Bentele .

Der Blick auf die Gesamtsituation in der Region Trier: Behinderte hoffen auf den passenden Job

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