Alkohol, Drogen, Exorzismus

BITBURG-PRÜM. Zahlreiche Fälle, in denen Kinder in ihren Familien unsäglichem Leid ausgesetzt sind, lieferten in den vergangenen Monaten bundesweit Schlagzeilen. In der Region Trier hat sich die TV-Aktion "Meine Burg" der Problematik verschrieben. Im Kreis Bitburg-Prüm eskalierte die Situation kürzlich: innerhalb einer Woche nahm das Jugendamt neun Kinder aus ihren Familien.

Psychische Labilität, hemmungsloser Drogen- und Alkoholkonsum, sexueller Missbrauch und Exorzismus: Die Mitarbeiter des Jugendamts Bitburg-Prüm hatten in den vergangenen Tagen alle Hände voll zu tun, um Kindern auf die Schnelle ein sicheres Dach über dem Kopf zu besorgen. Allein in der Woche vom 27. November bis 3. Dezember mussten die Sozialarbeiter in sechs Fällen ausrücken, um neun akut gefährdete junge Menschen aus ihren Familien zu befreien. Zum Teil fanden sie die Kinder und Jugendlichen zwischen zwei und 17 Jahren in einem ebenso erbärmlichen wie erschütterndem Umfeld an (siehe TV-Extra). Stephan Schmitz-Wenzel, Geschäftsbereichsleiter bei der Kreisverwaltung in Bitburg, möchte dem Vorwurf des Untätigseins jedenfalls kategorisch vorbeugen: "Man sieht, die Behörden übersehen nicht alles, sie handeln." Oft nämlich sähen sich die Jugendämter dem Vorwurf ausgesetzt, nichts zu tun und die Dinge schleifen zu lassen. "Dies ist nicht so", betont Schmitz-Wenzel und gibt im gleichem Atemzug den Blick frei für das Ziel, das die Mitarbeiter des Jugendamts Bitburg-Prüm verfolgen: Prävention. "Das Ziel ist ganz klar die Rückführung in die Familie", gibt denn auch Jugendamtschef Josef Winandy die Losung aus. Man müsse sowohl für die Kinder als auch für deren Eltern Perspektiven entwickeln. Dies geschehe zum Beispiel durch eine Therapie, durch Schulsozialarbeit oder bereits durch die Sensibilisierung von Personal in Schulen und Kindergärten. Winandy: "Es geht darum, die Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen." 6,5 Millionen Euro gibt der Kreis Bitburg-Prüm pro Jahr aus, um den Etat des Jugendamts zu decken. Allein in diesem Jahr ist es bis jetzt zu 80 so genannten Unterbringungen gekommen, dazu zählt auch die Hilfe zur Erziehung, also wenn eine Familie bereits mit den gewöhnlichen Dingen des Alltags komplett überfordert ist. Bescheid über unhaltbare Situationen in den Familien erhält das Jugendamt aus unterschiedlichen Quellen. "Das kann ein Arzt sein, ein Nachbar, die Schule oder ein Jugendtrainer", berichtet Josef Winandy und verweist gleichzeitig auf die Reaktionen, die seinen Mitarbeitern entgegenschlagen, wenn sie vor der Tür stehen. "Teilweise trifft man massiv auf Unverständnis", berichtet er. "Und oft wird die Schuld bei anderen gesucht", ergänzt Stephan Schmitz-Wenzel, der auch weiß, dass viele Eltern die Tatsachen schlicht zu verdrängen versuchen. "Aber", so Schmitz-Wenzel, "wenn das Kindeswohl gefährdet ist, dann müssen wir handeln." Eine feste Prognose mit Blick auf so genannte Inobhutnahmen von Kindern wagen indes weder Stephan Schmitz-Wenzel noch Josef Winandy. Zur Zeit seien alle Jugendhilfe-Einrichtungen überbelegt, und die Probleme werden "intensiver", wie es Winandy ausdrückt. Auch vor dem Hintergrund der Kosten setzt der Jugendamtsleiter auf Prävention. Denn: Jedes Kind, das aus der Familie herausgenommen wird, kostet den Eifelkreis 100 Euro pro Tag. Und Stephan Schmitz-Wenzel ergänzt: "Es ist ganz sicher nicht unser Ziel, den Eltern die Kinder wegzunehmen. Im Gegenteil. Wir möchten, dass sie wieder miteinander leben können."

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