Alle für Angie

DORTMUND. Die Dramaturgie des zweieinhalbstündigen Kurzparteitags der CDU ist ohne Zweifel perfekt – und sie zielt nur auf eines: Es geht um laute Stimmungsmache und Mobilisierung für die heiße Phase des Wahlkampfs.

Angela Merkel hat ihr schönstes Lächeln aufgesetzt, als sie die Westfalenhalle betritt. Sie winkt, sie schüttelt Hände, gibt sich ungewohnt gelöst. Ohrenbetäubend ist die Musik, donnernde Trommeln begleiten den Einmarsch. Aufbruch soll das signalisieren. Hinter ihr geht - einen Schritt zurückbleibend - Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber; dann folgt das neunköpfige so genannte Kompetenzteam, mit dem die CDU-Chefin der rot-grünen Regierungsmannschaft den Schneid abkaufen will. Es ist ein triumphaler Einzug der Kanzlerkandidatin, die aus 10 000 Kehlen im weiten Rund der Westfalenhalle mit "Angie, Angie"-Rufen und rhythmischem Klatschen zum Podium getragen wird. Die CDU liebt den Pathos

Inhalte spielen keine Rolle. Müsste nicht CDU-Generalsekretär Volker Kauder offiziell gewählt werden (er erhält 97,8 Prozent der knapp 800 Delegierten-Stimmen), wäre die Bezeichnung "Parteitag" vollends falsch. Es ist die Jubelveranstaltung einer Oppositionspartei, die ihr Spitzenpersonal auf einer Woge der Begeisterung zur Bundestagswahl tragen will; und die sich unbedingt selbst begeistern soll. Die Union bereitet sich also mit viel Pomp und Glamour auf die Regierungsübernahme vor, mit Feuerwerk, Lasershow und einer Imitation der Popgruppe "Queen". Während einer akrobatischen Vorführung schwebt einer der Künstler wie Phönix aus der Asche zum Hallendach und zieht dabei plötzlich eine CDU-Fahne nach oben. Der Jubel kennt keine Grenzen. Die CDU liebt nun mal den Pathos. Für viele Unionisten ist es ein Genuss, dass ausgerechnet in der ehemaligen Herzkammer der Sozialdemokraten, der Ruhrgebietsstadt Dortmund, die "Entscheidung für Deutschland" gesucht und proklamiert wird. Das steht zumindest in weißer Leuchtschrift über der Bühne. Was im Mai bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen gelungen ist, soll nach sieben Jahren nun auch auf Bundesebene gelingen - das Ende von Rot-Grün. Der Bogen zwischen Düsseldorf und Berlin schließt sich somit für die Union. Jeder der zehn schwarzen Ministerpräsidenten muss ein Grußwort halten, Merkel loben und deutlich sagen, welche Erfolge er in seinem Land erzielt hat. Länger reden darf Edmund Stoiber: "Lasst Euch nicht linken. Rot-Rot-Grün wäre ein Katastrophe für Deutschland", warnt er. "Darum geht es mir", spielt er auf seine Kritik am Osten an. Er ist und bleibt der Einpeitscher von der CSU, was die Anhänger der Schwesterpartei CDU trotz aller Wirrungen vergangener Tage mit viel Applaus quittieren. Es ist 16.35 Uhr, als Angela Merkel ans Podium tritt. "Angie, Angie"-Rufe donnern wieder durch die Westfalenhalle. Plakate werden hoch gehalten, auf denen "Wechsel wählen" oder sogar "Wir werden Bundeskanzlerin" steht - in Anlehnung an die Schlagzeile "Wir sind Papst". Die Union im Überschwang. Harsch geht Merkel mit Kanzler Schröder, aber auch mit der Linkspartei ins Gericht. Galant umschifft sich jede Klippe wie die neuerliche Debatte über den EU-Beitritt der Türkei oder den andauernden Steuerstreit. Für jeden etwas, lautet die Marschrichtung ihrer Rede. Die Wähler sollten sich überlegen, fordert sie, "ob ihnen Wahlenthaltung oder Protest wirklich weiterhilft". Ihre Partei ermuntert die Vorsitzende, in der Schlusskurve zur Bundestagswahl noch einmal "das Letzte" aus sich herauszuholen. Und nach einer Stunde lässt sich die Kandidatin mit ihrem Team noch einmal auf der Bühne feiern - danach erklingt die Nationalhymne, und schließlich, wie immer in diesem Wahlkampf, von den Rolling Stones der alte, womöglich aber bald neue Hit "Angie".

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