Alles hängt am Geld

BERLIN. Bei den Verhandlungen zwischen Union und SPD kommen auf den letzten, alles entscheidenden Verhandlungsmetern mächtig Hektik, Nervosität, aber auch Frust auf. Bis spätestens Freitagnachmittag, so der erklärte Wille der Kanzlerin in spe, Angela Merkel, soll der Koalitionsfahrplan von Union und SPD in allen entscheidenden Punkte stehen.

,,Wir wollen am Freitag fertig werden", meinte am Mittwoch auch "Noch"-SPD-Chef Franz Müntefering vor Beginn weiterer Verhandlungen in kleiner Spitzenrunde, an der neben Merkel und Müntefering auch Kanzler Schröder, der künftige SPD-Chef Platzeck sowie CSU-Landesgruppenchef Glos teilnahmen. Platzeck gestern: ,,Wir sind auf einem guten Weg." Zunehmend sorgen der beabsichtigte Subventionsabbau und mögliche Steuererhöhungen für Zündstoff. Um die Haushaltslücke von 35 Milliarden Euro zu stopfen, haben beide Seiten noch harte Kärrnerarbeit vor sich. Hinzu kommt, dass die Koalitionäre zusätzlich acht Milliarden Euro für neue Projekte vorgesehen haben. Macht zusammen eine horrende Defizitlücke von 43 Milliarden. Bis gestern sind in den 16 Koalitions-Arbeitskreisen etwa 15 Milliarden Euro an Einsparungen zusammengekommen: Sechs Milliarden durch gestrichene Subventionen, neun Milliarden durch beabsichtigte Ausgabenkürzungen. Und so rückt denn die heftig umstrittene Erhöhung der Mehrwertsteuer immer stärker in den Blickpunkt. Jeder Prozentpunkt mehr brächte rund acht Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse. Eine Erhöhung um drei Punkte auf künftig 19 Prozent bescherte Vater Staat somit Mehreinnahmen von rund 24 Milliarden Euro. Nimmt man dazu noch eine Erhöhung der so genannten Reichensteuer, die die SPD durchsetzen will, gegen die sich aber Teile der Union nach wie vor heftig zur Wehr setzen, käme eine weitere Milliarde hinzu. Gestern erklärte Unionsfraktionsvize Ronald Profalla überraschend, man habe sich in Verhandlungen darauf verständigt, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ,,um mindestens einen Prozentpunkt zu senken". Zunächst solle der Beitrag zum 1. Juli 2006 um 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Das Geld dafür werde aus einzusparenden Milliarden der Bundesagentur für Arbeit kommen. Der zweite Senkungsschritt solle zum 1. Januar 2007 erfolgen. Massive Warnung der Wirtschaftsweisen

Gegen eine ,,wahllose" Erhöhung der Mehrwertsteuer schossen am Mittwoch die fünf Wirtschaftsweisen scharf. In seinem Gutachten 2006 warnt der Sachverständigenrat entschieden vor Steuererhöhungen. Sie seien absolut kontraproduktiv. Für das kommende Jahr erwarten die fünf Wirtschaftsweisen keine kräftige Erholung der Konjunktur. Sie sagen ein Wachstum von nur einem Prozent voraus. Die Arbeitslosenzahl werde 2006 lediglich um 90 000 auf 4,8 Millionen im Jahresschnitt zurückgehen. In Berlin wurde das Gutachten gestern eher verhalten zur Kenntnis genommen. Denn alles konzentriert sich jetzt auf den Verhandlungsschluss-Spurt von Union und SPD. Auf "die Nacht der langen Messer", wie es ein Parlamentarier formulierte. Im Mittelpunkt steht dabei die Finanzierung des Gesamtpakets der künftigen Regierung. Es geht um Subventionsabbau, Einsparungen und Steuererhöhungen. Sicher ist bereits jetzt: Für den Bürger wird es teuer.

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