Auf dem Abenteuerspielplatz der großen Politik

BERLIN. Wegen seiner Aussagen zum Einsatz von Bodentruppen im Libanon und zum Rückzug deutscher Soldaten aus Bosnien ist Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CSU) in die Kritik geraten.

Franz Josef Jung konnte sich diese Woche freuen: Die Opposition forderte seinen Rücktritt. So etwas ist wie eine Überlebensgarantie für einen angeschlagenen Minister, denn keine Kanzlerin kann natürlich darauf eingehen. Andererseits ist Jung nun als Schwachpunkt der Regierung markiert wie das Ziel im Objektiv eines Scharfschützen. Abtauchen wäre eigentlich die einzige Lösung, doch genau das geht nicht. Dazu steht die Bundeswehr zu sehr im Scheinwerferlicht, dazu ist die Rolle des Verteidigungsministers mit den vielen Auslandseinsätzen zu wichtig geworden. Nach Kanzlerin und Außenminister ist er der dritte große Akteur auf der internationalen Bühne. Gestern brach Jung zu Gesprächen nach Beirut und Tel Aviv auf. In Berlin sorgt man sich, was jetzt wohl wieder kommt. Der 57-jährige CDU-Politiker ist bienenfleißig. Wer ihn zum Beispiel über Afghanistan reden hört, sachkundig bis ins Detail, kann den Eindruck gewinnen, er habe das Land monatelang bereist. Eitle Selbstdarstellung ist Jungs Sache nicht. Häufig und ohne großes Brimborium besucht der Minister die Truppe, ob in Deutschland oder im Ausland. War Peter Struck (SPD) noch der Kumpel der Soldaten und Rudolf Scharping (SPD) im Gegensatz dazu ein entrückter Autist, so gibt Jung den sich kümmernden Chef. Die Totenkopf-Affären hat er entschlossen angepackt. Dort also liegen seine Probleme nicht. Sie liegen in seiner politischen Rolle. Jung ist ins Fettnäpfchen getreten, wann immer er sich außenpolitisch äußerte. Er sprach zu früh von einer deutschen Beteiligung im Libanon und brachte sogar Bodentruppen ins Spiel, die weder Union noch SPD wollten. Er kündigte den Rückzug der Bundeswehr aus Bosnien an, ohne die Idee zuvor mit den internationalen Partnern erörtert zu haben. Er veröffentlichte Grundsätze für sein Weißbuch, noch bevor Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) einbezogen war. Jung läuft so unbekümmert über das Minenfeld, weil er sich auf einem Abenteuerspielplatz wähnt. Vorsicht-Rufe von außen hat er bisher überhört. Sein Selbstbewusstsein ist groß. Jung wurde direkt aus der Landespolitik, als Vorsitzender der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, in das hohe Amt katapultiert. Hessens Ministerpräsident Roland Koch schickte ihn. Struck hatte ebenso wie Scharping oder wie vor ihm Volker Rühe (CDU) ein eigenständiges bundespolitisches Gewicht. Jung aber ist für die Bundespolitiker ein Landei. Sobald sich der Minister eigenständig äußert, stört er die Kreise von Angela Merkel, die versucht, sich außenpolitisch zu profilieren, weil es ihr innenpolitisch nicht gelingt. Er stört auch die Kreise der SPD. In der großen Koalition hält sich jeder Fachsprecher der Regierungsfraktionen für wichtiger als der Minister. Jung bleibt, sofern er die Gefahr überhaupt wittert, nur eine neue Strategie: Nichts Unabgestimmtes mehr sagen, bei allem vorher den Kontakt mit dem Kanzleramt und dem Koalitionspartner suchen. Das wäre wohl genau das, wohin ihn Kanzlerin und Koalitionspolitiker haben wollen, weshalb auch sie insgeheim für die Rücktrittsforderungen der FDP dankbar sein dürften.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort