Aufruhr im Land

Berlin . Die von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) geplante Schließung von Bundeswehr-Standorten hat in den betroffenen Bundesländern erhebliche Unruhe ausgelöst.

Mitglieder des Verteidigungssausschusses berichten, dass sie derzeit gefragte Leute sind. In ihren Büros stehen die Telefone nicht mehr still: Entweder rufen Kollegen an, die um den Erhalt der Kaserne in ihrem Wahlkreis noch verbissen kämpfen wollen. Oder es sind besorgte Lokalpolitiker, die Gewissheit haben möchten, ob ihre Region tatsächlich von den Standortschließungen der Bundeswehr betroffen ist. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sorgt für Aufruhr im Land.Streichliste fast fertig

Die Streichliste ist so gut wie fertig, "die Hausaufgaben sind gemacht", heißt es aus seinem Ministerium. Am nächsten Wochenende wird der Minister in Bonn mit der militärischen und politischen Führung der Truppe festzurren, welche rund 110 der insgesamt 500 Standorte bis 2010 geschlossen werden. Kommenden Dienstag dann informiert er den Verteidigungsausschuss, anschließend die Öffentlichkeit. Bis dahin steht "top secret" auf dem Streichpapier. "Entschieden ist noch nichts", beteuert ein Sprecher. Aber weil bereits die Staatskanzleien der Länder vom Ministerium kontaktiert wurden, will das in Berlin keiner glauben. Struck erhofft sich Einsparungen in Milliardenhöhe. Geld, das er dringend braucht für das neue Einsatz- und Modernisierungskonzept der Bundeswehr. "Ich bin nicht der Minister zur Förderung der Infrastruktur, sondern werde rein nach militärischen und wirtschaftlichen Kriterien entscheiden", meinte er bislang immer - "manche Schließung liegt da auf der Hand", ergänzen Koalitionäre. Seine rigorose Position hat Struck jedoch nach Angaben von Insidern inzwischen aufgeweicht: Nicht nur, dass er den geplanten Truppenabbau der Amerikaner in einzelnen Regionen berücksichtigen will. Verteidigungspolitiker gehen auch davon aus, dass der Minister mit seinen Schließungsplänen "ausgewogener" als zunächst vermutet vorgehen wird. Er erkenne damit an, dass die Bundeswehr ein bedeutender Faktor für die Wirtschaft in der jeweiligen Region sei. Ökonomen haben errechnet: Bei der Schließung von militärischen Anlagen kommt auf den Abzug von jeweils sieben Soldaten der Wegfall eines Arbeitsplatzes in der privaten Wirtschaft. Vor allem für die Städte und Gemeinden in überwiegend ländlichen und strukturschwachen Regionen, wo die Bundeswehr in den 50er Jahren nicht nur aus militärstrategischen Gründen, sondern auch aus strukturpolitischem Kalkül installiert wurde, sind die Folgen groß. Nach dem Willen der Opposition muss der Bund zum Ausgleich für die betroffenen Regionen tief in seine leeren Kassen greifen. Sowohl Union als auch die FDP fordern Hilfsprogramme und Ausgleichszahlungen für neue Arbeitsplätze in den Standortgemeinden. "Konversion" ist das Stichwort. So verlangt die Union zum Beispiel, dass die Bundesregierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA) betroffene Gemeinden als neue GA-Fördergebiete ausweist. Gleichzeitig müsse der GA-Topf zweckgebunden um 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Das geht aus einem gestern erst beschlossenen Bundestagsantrag hervor. Die Koalition hält allerdings dagegen: "Die Länder sind in der Pflicht, ich sehe keinen Spielraum für Ausgleichszahlungen", sagt der grüne Verteidigungsexperte Alexander Bonde.

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