Basis und Übervater

DRESDEN. Die Grünen haben ihre umstrittene Vorsitzende Angelika Beer nach einer dramatischen Zitterpartie doch noch für einen sicheren Listenplatz für die Europawahl im Juni 2004 nominiert. Spitzenkandidaten sind die niedersächsische Atomkraft-Gegnerin Rebecca Harms und der Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit.

Wann hat ein Parteitag schon mal eine Videoleinwand minutenlang beklatscht? Die Grünen kennen da keine Hemmungen. Als sich Joschka Fischer via Satellit aus Neapel zu Wort meldete, starrten die gut 700 Delegierten wie gebannt auf ihren "Gottvater". Mochte der Parteinachwuchs den PR-Gag auch mit Gebetsteppichen und knienden Verbeugungen karikieren - die Inszenierung war perfekt gelungen. "Trefft weise Beschlüsse, trefft solidarische Entscheidungen", rief der grüne Außenminister seiner Basis von der EU-Regierungs-Konferenz zu. Und das Fußvolk fügte sich willig in des Meisters Order. Selten gefiel sich ein grünes Bundestreffen so in Harmonie wie der jüngste Konvent in Dresden. Nur für ein paar Momente drohte das schöne Lied "Wir sind die Europa-Partei" aus dem Takt zu geraten. Erst im zweiten Anlauf schaffte die umstrittene Vorsitzende Angelika Beer den Sprung auf den aussichtsreichen Platz fünf der Kandidatenliste für die Europa-Wahl im kommenden Jahr. Gemessen an den düsteren Prognosen ist das noch ganz passabel. Zunächst hatten sich lediglich 199 Delegierte (27,2 Prozent) mit ihrer Stimme für Beer erbarmt. Wie es um das innerparteiliche Ansehen der 46-jährigen Ex-Bundestagsabgeordneten bestellt ist, zeigten auch die bösen Fragen, die Beer zur öffentlichen Beantwortung zugelost wurden. Wie sie die Kandidatur mit dem Parteivorsitz vereinbaren könne, und ob ihr Plädoyer für einen Bundeswehreinsatz im Irak nicht ein "schwerwiegender Fauxpas" gewesen sei, wollte die Basis wissen. Mit einem Dauerlächeln und ausweichenden Bemerkungen steckte Beer die Nackenschläge ein, um am Ende doch zu triumphieren. Daniel Cohn-Bendit war offenbar von der Sorge getrieben, der Parteitag könne wegen seiner Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre erst gar nicht in die Schlagzeilen kommen. Die Wahl des streitbaren Deutsch-Franzosen auf Platz zwei der Europa-Liste war mangels Gegenkandidatur nur Formsache. Bei der Spitzenkandidatur galt die niedersächsische Fraktionschefin Rebecca Harms als "gesetzt". Cohn-Bendit sorgte für Gesprächsstoff, als er alte Spekulationen über die politische Zukunft Joschka Fischers anheizte: "Das wäre auch ein hervorragender europäischer Außenminister", schwärmte er. Dass Fischer einen Wechsel nach Brüssel prompt dementierte, störte ihn nicht: Fischer habe schließlich auch nie deutscher Außenminister werden wollen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort