Bushs Durchhalteparolen

WASHINGTON. Der Druck auf US-Präsident Bush wächst. Fast täglich kommt es zu Anschlägen gegen US-Soldaten im Irak. Trotzdem vermittelt er Optimismus. Man habe die Lage im Griff.

Trotz der neuen Hiobsbotschaften aus Bagdad zeigte sich US-Präsident George W. Bush gestern unerschütterlich - und verbreitete bei einem morgendlichen Treffen mit Reportern im Weißen Haus Durchhalte-Parolen: "Je mehr Fortschritte wir machen, desto verzweifelter werden diese Mörder." Und: Er sei entschlossener als je zuvor, mit der irakischen Bevölkerung zusammenzuarbeiten, um den Frieden im Land wiederherzustellen.Doch die eigenwillige Argumentation des Präsidenten - die deutliche Eskalation der Anschläge im Irak im Gleichschritt mit Fortschritten der Besatzer zu sehen - stößt in den USA zunehmend auf Widerspruch und Zweifel. Journalisten, Oppositionspolitiker und sogar Mitglieder des eigenen Kabinetts stellen immer deutlicher die Irak-Strategie Bushs in Frage - wie zuletzt Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einem internen Memorandum oder auch Außenminister Colin Powell, der am Sonntag im amerikanischen Fernsehen erstmals offen die Fehleinschätzung der Regierung eingeräumt hatte: "Wir haben nicht erwartet, dass der Widerstand so lange so intensiv anhält." Führende Tageszeitungen wie die "New York Times" legen längst immer wieder den Finger in die offene Wunde: Die Anschläge seien deutliche Rückschläge für das Weiße Haus und würden kaum dazu beitragen, weitere Hilfen für den Wiederaufbau zu gewinnen.Für die demokratischen Präsidentschafts-Kandidaten, die sich derzeit bei öffentlichen Debatten für die Wahlen im November 2004 warm laufen, ist das Sicherheits-Dilemma Bushs im Irak längst zum gefundenen Fressen geworden - und hat innenpolitische Themen wie die Situation der Wirtschaft und Lage am Arbeitsmarkt bereits verdrängt. Besonders provokant zeigte sich am Sonntagabend in Detroit dabei der scharfzüngige New Yorker Kandidat und farbige Prediger Al Sharpton: Er prägte unter heftigem Beifall den Begriff des "Bush-Roulette": Wie beim russischen Roulette wisse man im Irak nicht, wen die nächste Kugel treffe - sicher sei nur, dass sie fast immer tödlich sei.Andere Kandidaten werfen der Regierung nahezu unisono vor, ohne schlüssiges Konzept für die Nachkriegs-Zeit und unter Verweis auf falsche Erkenntnisse der Geheimdienste die Invasion begonnen zu haben. Damit scheint bereits festzustehen, dass der kommende Wahlkampf vor allem vom Thema Irak dominiert werden wird.Während man sich im Weißen Haus gestern weiter bemühte, vor allem den Anschlag auf das al-Raschid-Hotel und auf Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz herunter zu spielen und von einem "reinen Zufall" sprach, dass sich einer der Hauptplaner des Krieges an dem anvisierten Ort aufhielt, bereitet den US-Militärs die jüngste Entwicklung dennoch erhebliche Sorgen. Im Verteidigungsministerium hieß es gestern inoffiziell, die sprunghafte Zunahme der Anschläge zeige eine "Koordinierung" durch extremistische Kreise im Irak. Wer allerdings diese Koordinierung vornehme, wisse man derzeit noch nicht.Weitere dunkle Wolken zeichneten sich gestern bereits für die Bush-Regierung auf dem Kapitolshügel ab: Der Geheimdienste-Ausschuss des US-Senats kündigte an, in der nächsten Zeit CIA-Chef George Tenet vernehmen zu wollen. Die Kernfragen hier: Wie zuverlässig waren die Geheimdienst-Informationen der Regierung wirklich und in welchem Umfang nahm das Weiße Haus bei der Erstellung von so genannten "Beweisen" gegen Saddam Hussein Einfluss auf die Analytiker der CIA?

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