Das Leben nach der Katastrophe

CANCUN/WITTLICH. Eine Woche nach dem Hurrikan Wilma herrscht im mexikanischen Cancun noch immer Katastrophenstimmung. Der Wittlicher Karl-Heinz Pohl lebt seit zehn Jahren dort. Im TV berichtet er, wie er den Sturm erlebt hat.

Langsam beginnt das Leben wieder - das Leben nach der Katastrophe. Noch immer steht das Wasser einen Meter hoch in den Straßen. Mühsam quälen sich die Autos durch. Busse bringen die Touristen, die während des Hurrikans ausgeharrt hatten, ins benachbarte Merida. Tagelang seien die Urlauber auf dem kleinen Flughafen von Cancun zusammengepfercht gewesen, berichtet Karl-Heinz Pohl. Der Wittlicher lebt seit zehn Jahren in der Küstenstadt, hat dort einen zweistöckigen Bungalow, 100 Meter entfernt vom Traumstand oder dem, was von dem einst mit Palmen bewachsenen Strand übrig geblieben ist. Die drei Zimmer im Obergeschoss vermietet er als Ferienwohnung - Sonnenterrasse auf dem Dach, Blick aufs Meer. Nachdem er den Job bei einer Elektrofirma aufgegeben hat, hat es ihn nach Mexiko verschlagen. Seitdem hat er mehrere Stürme erlebt. "Aber das hier war der absolute Höhepunkt was ich bisher mitgemacht habe", sagt der 65-Jährige noch immer geschockt. Bevor der Sturm die Küste erreichte, war er noch zuversichtlich, dass nicht so viel passieren würde. Zunächst hatte er vor, zu Freunden ins 180 Kilometer entfernte Valladolid zu fahren. Doch er blieb in seinem Haus, verbarrikadierte sich - genügend Wasser und Proviant hatte er besorgt. Ohne zu ahnen, was auf ihn zukommen würde. "In dieser Gegend kommt es jedes Jahr zu solchen Stürmen. Normalerweise bringen sie nur starken Wind und viel Regen." Doch dieses Mal war alles anders. Mit 260 Kilometern pro Stunde fegte der Sturm vom Meer direkt auf den glücklicherweise aus Stein gebauten Bungalow "Der Wind hat das Meerwasser unter den Türen und Fenstern durchgeblasen. Alles, was lose war, wurde abgerissen", erinnert sich Pohl an die Katastrophennacht vor einer Woche. Noch immer gibt es keinen Strom, kein Wasser. Die Strommasten sind nach dem Sturm umgefallen. Der Boden war durch den stundenlangen Regen aufgeweicht. Die Bewohner des Ferienortes sind von der Außenwelt abgeschnitten. Viele Telefonleitungen sind noch immer tot. Pohl verständigt sich über Handy und per Internet. Schlimmer noch als der Sturm waren für ihn die Plünderungen danach. In der Nacht nach dem Hurrikan seien Banden durch die Stadt gezogen und hätten Geschäfte und Häuser geplündert. "Da ich bei jedem Geräusch am Fenster war, haben sie nicht bei mir eingebrochen", sagt Pohl. Banken und Supermärkte sind noch immer geschlossen. Vereinzelt habe es bereits Überfälle gegeben. Die Lage sei angespannt. "Wenn die Geschäfte nicht bald wieder aufmachen, wird es zu Ausschreitungen kommen", glaubt der Deutsche. Die Bewohner von Cancun - überwiegend Mayas - sind arm, kaum jemand hat Arbeit. Flughafen für den Passagierverkehr gesperrt

Der Wittlicher ist glimpflich davon gekommen. Am Nachbarhaus wurde der Trafo runtergefegt. "Das ganze Trafo-Öl wurde auf mein Haus geblasen." Seit Tagen ist er am Putzen. Am Anfang sei der Hurrikan für die Touristen noch ein tolles Abenteuer gewesen. Nach einer Nacht mit nicht mehr enden wollendem Wind und Regen, seien aber viele in Panik geraten. Doch es gab kein Entrinnen. Auch wer es bis zu dem Flughafen von Cancun geschafft hatte, kam nicht weg. Es ging kein Flug mehr. Essen und Betten habe es dort auch nicht gegeben, berichtet Pohl. Erst jetzt wurden die Touristen zum größeren Flughafen nach Merida gebracht. Der Flughafen in Cancun wurde vom Militär gesperrt. Dort landen jetzt nur noch Lebensmitteltransporte. Für den Ex-Wittlicher geht das Leben weiter. Das Leben in Mexiko. An eine Rückkehr nach Deutschland denkt Karl-Heinz Pohl nicht.

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