Das große Feilschen

BERLIN. Verglichen mit der Föderalismusreform II war der Turmbau zu Babel wahrscheinlich eine übersichtliche Veranstaltung. Bund und Länder wollen hoch hinaus – nur jeder der 32 Mitglieder der gestern gegründeten Kommission anders.

Beim Geld kennen "manche keine Verwandten mehr", wie SPD-Fraktionschef Peter Struck schwant. Er leitet die Kommission zusammen mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Das ehrgeizige Ziel: Noch bis 2009 soll ein Teil fertig sein. Denn es sind Grundgesetzänderungen nötig, und dafür haben Union und SPD derzeit in beiden Kammern die nötige Zweidrittelmehrheit. "Wann, wenn nicht jetzt", fragte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Aber schon über die Themen ist man sich nicht einig, geschweige denn über die Lösungen. Die fünf westlichen "Geber"-Länder möchten mehr von den Steuereinnahmen bei sich behalten und weniger an die elf "Nehmer"-Länder abgeben. Der solidarische Ausgleich zwischen den Ländern müsse unangetastet bleiben, entgegnet sofort der Hauptnehmer, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Ebenso wie der Solidarpakt II, der den östlichen Ländern bis 2019 rund 150 Milliarden Euro sichert. Nehmer Peter Müller aus dem Saarland will über Letzteres wiederum sehr wohl sprechen. Der Länderfinanzausgleich wäre tatsächlich reformbedürftig, denn er kostet einen Prozentpunkt beim Wachstum, wie jüngst der Wirtschaftsforscher Norbert Berthold feststellte - im Auftrag des Geberlandes Baden-Württemberg. Er nehme den Ländern den Anreiz, die eigene Wirtschaftskraft zu stärken. CDU-Finanzexpertin Antje Tillmanns hat das am Beispiel Kinderbetreuung erläutert. Länder, die nichts für die Betreuung ausgeben, sparen sich erstens die Investitionen. Zweitens haben sie zwar Steuermindereinnahmen, weil die Eltern ihre privaten Aufwendungen für die Kinderbetreuung neuerdings absetzen können, doch kommt dieser Verlust über den Länderfinanzausgleich wieder herein. Ein Fall aus Absurdistan. Aber das Geflecht der Finanzbeziehungen ist offenbar schon viel zu vertrackt für eine grundlegende Reform. Struck wie Oettinger haben jedenfalls bereits erklärt, dass sie hier kaum Chancen auf eine Einigung sehen. Realistisches Ziel ist immerhin die Errichtung einer Schuldenbremse, mindestens eines Frühwarnsystems gegen Haushaltskrisen. 1,5 Billionen Euro hoch ist der Berg der Verbindlichkeiten von Bund und Ländern. Die Föderalismusreform II hat schlechte Erfolgsaussichten, zumal das Zeitfenster klein ist. Ein Scheitern würde ihr kaum ein Bürger übel nehmen. Aber die nächsten Generationen müssten die Folgen tragen. Sie könnten die Schulden, die jetzt gemacht werden, nicht mehr bezahlen.

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