Der Osten als Vorbild

Berlin. Vollversorgung auf der einen, Mangel auf der anderen Seite: Während im Westen der Republik Krippen- und Hortplätze fehlen, ist im Osten Ganztagsbetreuung die Regel. Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Studie des Statistischen Bundesamtes zur „Kindertagesbetreuung in Deutschland“.

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) darf sich freuen, denn sie erhält von den Wiesbadener Statistikern Schützenhilfe bei ihrem Streit mit den Kommunen um mehr Kinderbetreuung. In den alten Bundesländern gab es 2002 für 88 Prozent des Nachwuchses zwischen drei und sieben Jahren einen Kindergartenplatz, in den neuen Ländern hingegen stand statistisch gesehen jedem Kind ein Platz zur Verfügung, so gestern der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen. Der 1992 beschlossene und seit 1999 unbeschränkt geltende Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab drei Jahren habe deutlich Bewegung gebracht, resümierte er. Insgesamt wurden in Westdeutschland die verfügbaren Plätze von 1,7 auf 2,3 Millionen aufgestockt.

Im Osten dagegen fielen mehr als die Hälfte der Einrichtungen dem dramatischen Geburtenrückgang zum Opfer: Zwischen 1991 und 2002 mussten rund 9500 mit knapp 500 000 Plätzen zumachen. 2015 erwarten die Statistiker nun im Vergleich zu heute im Westen etwa 14 Prozent weniger Kinder bis zu elf Jahren. Rechnerisch stünde dann für jedes Kind im Kindergartenalter ein Platz bereit. Besonders stark ist die Diskrepanz zwischen alten und neuen Ländern bei den Kleinkindern unter drei Jahren: 37 Prozent des Nachwuchses erhielten in 2002 einen Krippenplatz im Osten, im Westen waren es nur magere drei Prozent. Das genau sind die Zahlen, die die Familienministerin gut gebrauchen kann. „Absolutes Schlusslicht in Europa“, sei Deutschland bei der Kinderbetreuung, wiederholte sie gestern. Schmidt steht im Wort: „Ab 2005 werden den Kommunen jährlich 1,5 Milliarden Euro aus der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zugute kommen“, versprach sie erneut – für einen bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder im Alter unter drei Jahren. Ihre Rechnung ist einfach: Der Bund entlastet die Kommunen. Die frei werdenden Mittel sollen sie dann wieder in die Betreuung investieren.

Noch im März will die Ministerin dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Kommunen bis 2010 verpflichten soll, Betreuungsplätze für alle Kleinkinder bereitzustellen, deren Eltern arbeiten, oder die bei einem allein erziehenden Elternteil leben. Betreuungsmöglichkeiten soll es außerdem für Kinder geben, deren Eltern als Arbeitslose an einer Umschulung oder Fortbildung teilnehmen, oder die Angehörige zu Hause pflegen oder ihrer Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden.

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