Die "Mietnomaden" von der SPD

Es war ja nicht so, dass das Bundeskabinett in dieser Woche im feinen Schloss Meseberg nur stundenlang zusammenhockte, um die großen Probleme dieser Republik zu debattieren. Im Gegenteil, am Abend soll im lauschigen Ambiente noch feucht-fröhlich das Harmonieglas gehoben worden sein.

Offenkundig gab es dabei aber zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle einen kleinen Disput. Und zwar über die Qualität des deutschen Rotweins. Die Kanzlerin steht nicht auf den heimischen, dafür aber mächtig auf den italienischen Wein. Brüderle habe daher versucht, zur späten Stunde Merkel zu missionieren. Vergeblich, logisch. Die FDP machte beim gemütlichen Beisammensein übrigens eine weitere, neue Erfahrung: So viel Stehvermögen beim Glasheben hatte man Merkel gar nicht zugetraut, hieß es danach.

Was hat die FDP nicht früher immer über die damals noch schwarz-roten Klausuren geschimpft! Unnütz sei das, "Kinderlandverschickung", wurde gestichelt. Und heute? Wenn man selbst in der Regierung sitzt, sieht die Welt gleich anders aus. Dass Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel zum Beispiel ein Ressort übernommen hat, das er zu Oppositionszeiten stets auflösen wollte, ist bekannt. Auf dieser Schiene des Rufs fährt allerdings auch FDP-Mann Werner Hoyer, neuer Staatsminister im Auswärtigen Amt. Dort soll er die Aktivitäten der liberalen Ministerriege im Sinne von Guido Westerwelle koordinieren. Als damals SPD-Vizekanzler Steinmeier einen solchen Posten einrichtete, schimpfte Hoyer noch, hier werde ein "hoch bezahlter Beamter für parteipolitische Aufgaben" missbraucht. Und heute? Mit dem neuen Posten verdient Hoyer fast doppelt soviel wie ein einfacher Abgeordneter. So viel dazu.

Die Union lernt hingegen derzeit noch einmal die SPD kennen und ist mächtig sauer auf die Sozialdemokraten, vor allem auf die, die nach der Wahl Amt und Würden verloren haben. "Mietnomaden", schimpfen Unionisten, seien die Genossen, weil sie sich standhaft weigerten, ihre Büros zu räumen. Vor allem die ehemaligen Ausschussvorsitzenden Edelgard Bulmahn (Wirtschaft), Sebastian Edathy (Innen) und Ex-Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner hätten es gar nicht eilig, ihre Büros den Unions-Nachfolgern zu übergeben. "Und nächste Woche beginnt das operative Geschäft", klagt ein CDU-Mann. Dann konstituieren sich nämlich die Bundestagsausschüsse. Donnerstag soll es ein Krisengespräch mit der SPD-Fraktionsspitze gegeben haben. Ob danach prompt die Kisten gepackt wurden, ist nicht überliefert.

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