Die Mutter der Deutschländerin

MANDELBACHTAL. Besprechung hier, Sitzung da, Abendtermine, zähe Diskussionen - ein Alptraum? Ganz im Gegenteil, findet Hiltrud Breyer, für die Region Trier zuständige Europa-Abgeordnete der Grünen. "Ich mache mit Begeisterung Politik!" Keine Frage also, dass die Mutter von zwei kleinen Kindern erneut antritt.

Drei Wochen in Brüssel, eine in Straßburg, dazwischen Bürgersprechstunden und Podiumsdiskussionen Zuhause - Reisemuffel kandidieren besser nicht für das Europa-Parlament. Doch die ständige Pendelei zwischen drei Orten ist noch zu toppen: Die Grünen-Politikerin Hiltrud Breyer aus Mandelbachtal im Saarland fährt auch noch regelmäßig nach Berlin. Dort arbeitet Breyers Ehemann und Vater ihrer Kinder. Richtig: Im Leben der 46-Jährigen hat auch noch Nachwuchs Platz. Vor sechs Jahren kam Constanze zur Welt, Hendrik ist jetzt zwei. "Die Kinder sind unser Hobby", sagt Breyer. "Mit dieser Einstellung bekommen wir das ganz gut hin."Sie zieht den Vorhang ihres Wohnzimmer-Fensters beiseite. Grün soweit das Auge reicht. Wald. Wiesen. Obstbäume. Breyers Ausgleich zur alltäglichen Hektik. Ein ruhiges Leben war nie ihre Sache: Nach Ausbildung und einigen Jahren als Erzieherin legte sie auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur ab, studierte Politologie und arbeitete nach dem Diplom in der Innovations- und Regionalforschung. Sie engagierte sich in Umwelt-, Friedens- und Frauenbewegung, gründete die Grünen mit, war Landesvorstandssprecherin im Saarland und saß im Gemeinderat Mandelbachtal, bevor sie 1989 ins Europäische Parlament einzog.Vorbildlich Familie und Beruf vereinbart

"Mama Flasche geben!" Hendrik wird resolut. Hiltrud Breyers Mutter, die mit in dem alten Haus am Ortsrand von Mandelbachtal lebt und gerade mit dem Kleinen gespielt hat, ist abgeschrieben. "Die Kinder sind eine enorme Bereicherung", sagt die Europa-Abgeordnete, während sie ihren Sohn füttert. Sie versteht sich als Vorbild für jüngere Frauen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Im Job sei sie effizienter und extrem belastbar geworden, sagt sie. "Und ich kann besser abschalten. Kaum bin ich Zuhause, ist das verschwundene Bauklötzchen das Wichtigste."Hendrik ist satt. Jetzt sind Omas Entertainer-Qualitäten wieder gefragt, die Mama darf sich den Fragen zu ihrer Arbeit widmen. "Ich mache mit Begeisterung Politik, weil ich sehe, dass man was bewegen kann", sagt Breyer. Zum Beispiel? Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel. Kostenlose Rückgabe alter Autos und Elektrogeräte. Unisex-Tarife. Und, und, und. Breyers Kaffee wird kalt. Sie sitzt im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit sowie Verbraucherpolitik und ist Stellvertreterin in den Ausschüssen für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie sowie für die Rechte der Frau und Chancengleichheit. "Ich bin in Bereichen tätig, in denen das Parlament mitbestimmen darf. Hier kann man was gestalten."Zieht die Grüne erneut ins Europäische Parlament ein, will sie sich weiter vor allem um Verbraucherpolitik kümmern. "Da liegt noch Vieles im Argen." Gleiches gelte zum Beispiel in Sachen gerechter Welthandel oder Mitbestimmung von EU-Parlamentariern und -Bürgern. "Ich will Europa im Herzen der Menschen verankern", sagt Hiltrud Breyer. Bis es soweit ist, muss sie sich wohl noch mehrmals um einen Sitz in Brüssel und Straßburg bewerben. Selbst Töchterchen Constanze hat die Idee von Europäern, die sich nicht mehr als Bewohner eines Landes, sondern eines Kontinents fühlen, noch nicht so recht verinnerlicht. "Mama", fragt sie, "bin ich Saarländerin oder Deutschländerin?"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort