"Die Patienten sind die Dummen"

MAINZ. Geldeintreiberei statt Strukturänderungen und Qualitätssicherung sehen die Vertreter von Patienten und Versicherten, wenn sie auf den Kompromiss zur Gesundheitsreform blicken. Es geht ums Abkassieren, damit 20 Milliarden Euro eingespart werden, so ihr Fazit.

"Die Patienten sind die Zahlmeister und die Dummen", sagt Mechthild Kern und kann nicht nachvollziehen, dass Politiker bei der geplanten Gesundheitsreform von einem tragfähigen Kompromiss ohne einseitige Belastung reden. Die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) ist sich im Gespräch mit dem TV sicher, dass die umfangreichen Zuzahlungen bei Arztbesuch, Medikamenten und Klinikaufenthalt sowie vermeintliche Sparaktionen insgesamt erhebliche Mehrkosten bei den Betroffenen verursachen, trotz der angekündigten Absenkung des Beitragssatzes. Die Reform sorgt laut Kern nicht für mehr Qualität im Gesundheitswesen, um etwa Kostentransparenz zu schaffen, teure Fehlbehandlungen nicht zuletzt bei Volkskrankheiten und unnötige Untersuchungen zu vermeiden. Verpasst werde auch, für verstärkten Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zu sorgen. Die DGVP plädiert grundsätzlich dafür, an der solidarischen Krankenversicherung, einschließlich Zahnersatz und Krankengeld, festzuhalten. Den Kassen solle ein verpflichtender Leistungskatalog vorgeschrieben werden, der durch Leistungsangebote beispielsweise für alternative Medizin, Vorsorgeprogramme oder für chronisch Kranke ergänzt werden könne. Politisch umstritten ist nach Kerns Angaben zudem, was unter der propagierten so genannten integrierten Versorgung durch Gesundheitszentren zu verstehen ist. Doch statt Strukturen zu ändern werden Lasten verschoben, so ihr Vorwurf. Keineswegs sinnvoll ist es aus Sicht der DGVP, rezeptfreie Medikamente nicht mehr zu erstatten. Rezeptfrei sei nicht mit wirkungslos gleichzusetzen, moniert Kern. Entweder müsse der Patient zahlen, oder der Arzt steige auf rezeptpflichtige Präparate um und eröffne so einen Verschiebebahnhof. Kritisiert wird auch die Herausnahme des Zahnersatzes aus dem Leistungskatalog. Bisher sei dort auch nur eine "ausreichende Versorgung" zu gewährleisten. Wer mehr wollte, musste eh zuzahlen, heißt es bei den Patienten-Vertretern. Der Leistungskatalog müsse auf den Prüfstand, räumt auch Kern ein. Sie sieht es durchaus als vernünftig an, Taxifahrten zu ambulanten Behandlungen auf eng gefasste Ausnahmen zu beschränken, wie es nun geplant ist. Doch die gesetzliche Krankenversicherung habe ihren Mitgliedern weiterhin eine ausreichende medizinische Versorgung zu gewährleisten, fordert die DGVP. Was bei dem Reform-Kompromiss nun herausgekommen ist an Leistungskürzungen und Patientenzuzahlungen, ist Kern zufolge eine einseitige Lastenverteilung: "Patienten werden gnadenlos abkassiert - Strukturprobleme bleiben ungelöst."

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