Die Welt am Abgrund

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat die milliardenteure Rettung der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) und das Vorgehen der Regierung als letzter Zeuge im HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages verteidigt. Es sei weitreichender Schaden von Deutschland und seinen Bürgern abgewendet worden, sagte er.

Berlin. Größer könnte der Kontrast kaum sein: Hinter den Fenstern flanieren die Touristen. Auf der Spree schippern friedlich die Ausflugsdampfer vorbei. Doch drinnen im Saal steht die Welt am Abgrund. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück referiert über eine drohende "Kernschmelze des Finanzsystems" und das schreckliche "Trauma", welches die Beinah-Katastrophe in Deutschland ausgelöst hätte.

Steinbrück ist der letzte Zeuge, der sich den Fragen des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Krise um den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) stellen muss. In seinem Statement schildert der SPD-Politiker zunächst die finanzpolitische Großwetterlage, um dann in epischer Breite auf die Rettungsaktion der HRE am letzten September-Wochenende 2008 zu sprechen zu kommen. Dass Steinbrück dabei immer wieder dramatisches Vokabular benutzt, hat auch einen ganz eigennützigen Grund: Seine Gegenmaßnahmen erscheinen so in besonders gutem Licht. Fazit des Kassenwarts: "Das Krisenmanagement war angemessen und richtig". Man habe "weitreichenden Schaden von unserem Land und unseren Bürgern abwenden können".

So leicht will sich die Opposition allerdings nicht geschlagen geben. In mehr als 20 Ausschussitzungen hat sie versucht nachzuweisen, dass die Regierung viel zu spät handelte und der Steuerzahler die Zeche dafür zahlen muss. Mittlerweile wird die HRE immerhin mit Finanzhilfen von über 100 Milliarden Euro am Leben gehalten. Den Löwenanteil trägt der Staat. Der grüne Ausschuss-Obmann Gerhard Schick vergleicht das Krisenmanagement mit einem "LKW, der Sprengstoff geladen hat und ohne Bremsen den Abhang runterrast - und die Regierung sieht zu und versetzt noch nicht einmal die Feuerwehr in Alarmbereitschaft". Dass auch andere so denken, zeigt sich gleich zu Beginn der Ausschusssitzung. Vier Mitglieder der globalisierungskritischen Bewegung "Attac" entrollen auf der Zuschauertribüne ein Transparent mit der Aufschrift: "HRE-Akten öffnen - Banken zur Kasse!". Widerstandslos lassen sich die Protestierer kurz darauf aus dem Saal führen.

Den Finanzminister kann das nicht beeindrucken. Nach seiner festen Überzeugung nahm das Drama um die HRE erst mit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 seinen Lauf. In einer Feuerwehraktion hatten Regierung und Banken zwei Wochen später ein erstes Rettungspaket von 35 Milliarden Euro geschnürt. Daran wollten sich die Kreditinstitute zunächst mit nur sieben Milliarden Euro beteiligen. Nach einer Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einigte man sich schließlich auf 8,5 Milliarden Euro. Bei seiner Darstellung kritisierte Steinbrück auch den obersten staatlichen Bankkontrolleur Jochen Sanio. Der Chef der Aufsichtsbehörde Bafin hatte vor dem Ausschuss gesagt, dass die HRE schon Monate vor dem Zusammenbruch der Lehman-Bank in Nöten war. Ihm gegenüber hätte Sanio aber nie so gesprochen, erklärte Steinbrück. Überzeugend klang das nicht, zumal die Bafin von der HRE bereits ab März 2008 tägliche Liquiditätsberichte verlangt hatte.

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