Die beiden Stimmen der Wirtschaft

TRIER. Die Frage, ob die regionale Wirtschaft tatsächlich zwei große Kammern braucht, könnte mit einem Verweis auf IHK-Gesetz und Handwerksordnung beantwortet werden. Doch hinter diesem Thema steckt wesentlich mehr. Handwerskammer (HWK) und Industrie- und Handelskammer (IHK) stellen sich der Diskussion.

Wie ein roter Faden zieht sich eine zentrale Erkenntnis durch den bisherigen Verlauf der TV-Serie „Baustelle Bürokratie“. Die Leistungsträger jeder Verwaltungsebene haben konkrete Vorstellungen, wo gestrichen, gekürzt und gespart werden sollte – immer woanders, nur nicht im eigenen Haus.So hält Hans-Hermann Kocks, Hauptgeschäftsführer der HWK, Verbandsgemeinden mit 6000 Einwohnern – ein Beispiel ist Neumagen-Dhron – für „Irrsinn“. Werner Angsten, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Kell am See im Landkreis Trier-Saarburg, will die Struktur- und Genehmigungsdirektion und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion abschaffen.Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die beiden großen Kammern ins Spiel kommen. Otto Maria Bastgen, Bürgermeister der VG Kröv-Bausendorf im Kreis Bernkastel-Wittlich, ging zum Angriff über: „Wozu brauchen wir zwei Kammern? Interessen und Aktivitäten von IHK und HWK überschneiden sich zu 95 Prozent.“„Wir würden durch eine Zusammenlegung nichts gewinnen, sondern jede Menge Probleme schaffen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel. „Die Kammern kommen aus verschiedenen Welten.“ Das bestätigt Hans-Hermann Kocks, Hauptgeschäftsführer der HWK: „Das prägende Merkmal des Handwerksunternehmens, der Meisterbrief des Inhabers, ist im Gegensatz zur übrigen Wirtschaft die Voraussetzung für die Selbstständigkeit. Es ist die Aufgabe der Handwerkskammern, den Meister-Nachwuchs zu qualifizieren.“ Die IHK kennt dagegen keinen Meister-Zwang.Es gibt natürlich noch weitere Unterschiede zur „übrigen Wirtschaft“ und damit zur IHK: Die Ausbildungsquote im Handwerk sei dreimal höher als in anderen Wirtschaftsbereichen. Und: „Obwohl sich das Handwerk aus einer Vielzahl einzelner Berufe zusammensetzt, stellt es eine einheitliche soziale Gruppe dar, die sich in Entwicklung, Tradition, Lebensstil und Standesbewusstsein deutlich von anderen Berufsgruppen und Wirtschaftsbereichen unterscheidet“, sagt Kocks. Aus den unterschiedlichen Aufgaben folgt eine unterschiedliche Finanzstruktur der beiden Kammern. Während sich die Industrie- und Handelskammer überwiegend aus den Beiträgen der Mitgliedsfirmen finanziert, beträgt der Kammerbeitrag laut Hauptgeschäftsführer Kocks nur 15 Prozent des Budgets der HWK. „Der Rest stammt aus Gebühren für Bildung und Qualifizierung. 60 Prozent der Mitglieder der HWK Trier zahlen einen Jahresbeitrag von maximal 150 Euro, nur 3,7 Prozent zahlen mehr als 500 Euro.“ Und: „Die HWK Trier erhebt bundesweit den niedrigsten Kammerbeitrag.“Die Liste der Unterschiede zwischen HWK und IHK ist noch länger. 1995 hat die HWK die satzungsgemäße Bindung an den Bundesangestelltentarif aufgegeben und ein leistungsorientiertes Entlohnungssystem eingeführt. Kocks: „2000 hat die HWK Trier als erste bundesweit das öffentlich-rechtliche Rechnungssystem der Kameralistik durch die kaufmännische Buchführung ersetzt.“IHK-Chef Arne Rössel zieht ein Fazit: „Man sieht die grundsätzlichen Unterschiede. Deshalb brauchen wir zwei starke Kammern.“ Das hindere IHK und HWK jedoch nicht daran, sich „vernünftig abzustimmen“ und „sehr gut zusammenzuarbeiten“.Kooperation sollausgebaut werdenWie sieht diese Zusammenarbeit im Detail aus? Kocks erklärt: „Beide Kammern wollen damit ihre Wirtschaftlichkeit verbessern, aber auch erreichen, dass sich die Wirtschaft mit einer Stimme zu Wort meldet.“ Es gibt ein Euro Info Centre Trier in gemeinsamer Trägerschaft, ein IHK/HWK-Starterzentrum Region Trier, ein abgestimmtes Agieren bei Mitgliedschaften in Gremien wie der Initiative Region Trier (IRT) oder der IT-Akademie Rheinland-Pfalz. Zu den gemeinsamen Aktivitäten gehören auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion, der parlamentarische Abend der rheinland-pfälzischen Wirtschaftskammern und der Runde Tisch Einzelhandel Trier.Am 22. Dezember werden die Geschäftsführer beider Kammern über weitere Kooperationsfelder diskutieren.alf/sey

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