Die eiserne Kanzlerin wankt

Das kategorische Nein der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Steuersenkungen klingt nicht mehr ganz so kategoisch: Gestern hat sie wohl erstmals die Bereitschaft erkennen lassen, "auf Sicht" zu fahren.

Berlin. Die bisher in Sachen Steuergeschenke eiserne Kanzlerin Angela Merkel wurde gestern im Bundestag geschont. Von den eigenen Leuten. Selbst CSU-Abgeordnete hatten für die Debatte um das Konjunkturpaket der Regierung Kreide geschluckt: Natürlich wolle man im steuerlichen Bereich weitere Maßnahmen vornehmen, "aber alles zu seiner Zeit", so CSU-Mittelstandchef Hans Michelbach. Die neue Zurückhaltung im unionsinternen Streit hat einen Grund: Am Abend zuvor waren die Mitglieder der CSU-Landesgruppe von Merkel zum Abendessen im Kanzleramt empfangen worden. Und offenbar klang bei der Unterredung das Nein der Regierungschefin zu vorgezogenen Steuersenkungen nicht mehr ganz so kategorisch.

Es gab einiges zu klären. Viele CSU-Abgeordnete sind nach wie vor sauer auf die CDU-Vorsitzende, dass sie im Landtagswahlkampf die Steuerpläne der Bayern nicht unterstützt hat. 16 der 46 Parlamentarier meldeten sich zu Wort, und jedes Mal wurde die Forderung nach vorgezogenen Steuersenkungen erhoben. Merkel, hieß es gestern, habe dabei erstmals die Bereitschaft erkennen lassen, "auf Sicht" zu fahren. Je nach Lage müsse geprüft werden, ob mehr notwendig sei als das Konjunkturprogramm. Damit, so Landesgruppenchef Peter Ramsauer, sei klar, dass mit den bisherigen Investitionsmaßnahmen möglicherweise noch nicht genug getan sei.

CSU ist besänftigt, CDU macht weiter mobil



Ramsauer gab der Kanzlerin den Hinweis, dass man Elemente des CSU-Steuerkonzeptes wie höhere Grundfreibeträge, niedrigere Steuersätze oder die Wiedereinführung der Pendlerpauschale problemlos in Form eines zweiten Konjunkturpakets vorziehen könne. Zugleich mahnte Ramsauer, nicht "in einen apokalyptischen Wettlauf" einzutreten, "nach dem Motto: Wer sieht noch schwärzer". Merkel reagierte auf diesen Vorwurf damit, dass ihre Aussagen über bevorstehende schlechte Nachrichten im nächsten Jahr in den Medien überdramatisiert worden seien. Während die CSU nun anscheinend etwas besänftigt ist, macht der Wirtschaftsflügel der CDU weiter mobil: Steuerliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Rezession seien schon 2009 nötig, so der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Laurenz Meyer.

Auch CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs stellt sich gegen Merkel. Angesichts schlechter Exportaussichten für die deutschen Betriebe seien Steuererleichterungen vor der Bundestagswahl richtig. Im Parlament hingegen verteidigte Unions-Fraktionsvize Michael Meister die Haltung der Regierung: Er erinnerte daran, dass zum 1. Januar 2009 bereits eine Erhöhung der Familienleistungen sowie eine Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung beschlossen seien. Nach der Bundestagswahl werde man die "kalte Progression" im Steuersystem angehen. Auch SPD-Fraktionsvize Joachim Poß lehnte vorgezogene Steuersenkungen ab.

"Abkassieren, ignorieren, ruinieren", so sei die Politik der Großen Koalition, schimpfte FDP-Finanzexperte Volker Wissing. Europa diskutiere über Steuersenkungen, "und wir bekommen ein zusammengeflicktes Konjunkturprogramm vorgelegt", so Wissing.

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