Die globale Katastrophe

TRIER. Wie real sind die Hintergründe von Roland Emmerichs Film "The Day After Tomorrow”? Der Trierische Volksfreund sprach mit dem Klimaforscher Mojib Latif.

In Emmerichs Film kündigt sich ein abrupter Klimawechsel durch Hagelkörner von Grapefruitgröße in Tokio und Schnee in Neu Delhi an. Hurrikans und Tornados verwüsten Hawaii und Los Angeles. Ist all das pure Fiktion? Latif: Teilweise. Ich habe den Film bisher nicht sehen können, aber es hört sich so an, als gingen da ein paar Dinge durcheinander. Wir sprechen ja von einer globalen Erwärmung und nicht von einer globalen Eiszeit. Im Film wird das vielleicht ein wenig vermischt. Man bekommt im Zuge einer globalen Erwärmung eine Eiszeit und damit extreme Wetterereignisse. Das ist nicht Stand der Wissenschaft. Gewaltige Fluten sind über Deutschland hereingebrochen und wir haben unter sengender Sonne geschwitzt. Sind das die Vorboten einer bedenklichen Entwicklung? Latif: Ja, ich denke schon. Natürlich darf man diese beiden Ereignisse nicht isoliert betrachten. Ich erkläre das gern am Beispiel eines gezinkten Würfels. Wirft man damit eine Sechs, dann sagt das noch nichts über die Qualität des Würfels aus. Häufen sich die Sechser, dann wissen wir, etwas ist faul. Mit Wetterextremen verhält es sich genau so. Wenn sie sich häufen - und das tun sie - dann ist mit unserem Wetter etwas nicht in Ordnung. Der Film rafft den Klimawechsel auf wenige Wochen. Wie sähe ein abrupter Klimawechsel in der Realität aus? Latif: Ein sehr abrupter Klimawechsel ereignet sich in der Natur in Jahrzehnten. Man wird nicht eines Tages aufwachen, und das Wetter ist plötzlich außer Rand und Band. Für uns Menschen funktioniert das allmählich. Was wir im Moment an Erwärmung erleben, ist im Hinblick auf die Geschwindigkeit aber schon außergewöhnlich. Ich bin heute 49 Jahre alt und ich kann mich noch gut an die Winter in meiner Kindheit erinnern. Wir haben immer den Schlitten herausgeholt, die Seen waren immer zugefroren. Heute ist das eher selten der Fall. Daran sieht man, wie schnell sich schon etwas verändert hat: Ein Mensch meines Alters kann es klar erkennen. Welche weitere Entwicklung halten Sie für die wahrscheinlichste? Latif: Im Moment sieht es leider nicht so aus, als könne sich die Weltpolitik zusammenraufen. Man muss also davon ausgehen, dass der Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre weiter ansteigt. Die Berechnungen liegen auf dem Tisch. Es wird dazu führen, dass sich die Temperatur der Atmosphäre innerhalb der nächsten hundert Jahre um mindestens zwei Grad, möglicherweise sogar um bis zu sechs Grad erhöhen wird. Das ist rapide. Nach allem, was wir wissen, wird es zu einer Häufung extremer Wettersituationen kommen. Die Flut von 2002 und die extreme Hitze vom Vorjahr sind die zwei Seiten einer Medaille. Ist die Entwicklung unausweichlich oder kann man noch etwas dagegen tun? Latif: Man kann. Aber eine Erhöhung der Temperatur um 1,5 Grad - das entspricht dem Doppelten der Erwärmung in den letzten einhundert Jahren - ist wohl unausweichlich. Das liegt an der Trägheit des Systems. Wir haben schon so viele Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen, dass das System in diese Richtung marschiert, ohne dass wir es aufhalten. Alles, was darüber hinausgeht, liegt noch in unserer Hand. Wie umweltbewusst verhält sich ein Klimaforscher im Alltag? Latif: Ich versuche, die "normalen” Sachen durchzuhalten. Auf der Autobahn fahre ich selten schneller als hundert. In den Städten benutze ich öffentliche Verkehrsmittel. Wenn jeder immer den "Stand By”-Modus seiner Elektro-Geräte abschalten würde, könnten wir ein Kraftwerk in Deutschland einsparen. Ich bin nicht radikal. Aber ich würde nie einen Geländewagen fahren. Wenn der Förster einen hat, verstehe ich das. Aber wenn man in der Stadt damit zum Brötchen holen fährt, halte ich dies für unverantwortlich. Werden Sie sich "The Day After Tomorrow” anschauen? Latif: Ja, sicher. Ich muss ja mitreden können. Das Gespräch führte unser Mitarbeiter André Wesche

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