Die verbotenen Früchte der Folter

BERLIN. Wie weit darf die Sicherheitszusammenarbeit mit den USA gehen? Um diese brisante Frage kreiste am Donnerstag im Zusammenhang mit der CIA-Affäre die politische Diskussion in Berlin.

Am Vortag hatte Innenminister Wolfgang Schäuble im Bundestag bestätigt, dass deutsche Sicherheitskräfte Gefangene befragt hatten, die aus Deutschland stammen und in ausländischen Gefängnissen vom US-Geheimdienst CIA festgehalten werden. Während sich Politiker von Union und SPD gestern insgesamt lobend über die bisherigen Aufklärungsbemühungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerten, machten die Oppositionsparteien weiter Druck. "Es sind bei weitem noch nicht alle Fragen erörtert", sagte FDP-Innenexperte Max Stadler. Grüne und FDP forderten weitere Ausschusssitzungen zur Gefangenenaffäre. Doch auch einige führende Unionspolitiker zeigten sich gestern zumindest in einem Punkt sehr nachdenklich. Es müsse mit den Amerikaner geklärt werden, wo Deutschland Gemeinsamkeiten mit den USA im Kampf gegen den Terrorismus habe und wo die Kooperation ende, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Rupert Polenz (CDU) nach der zweiten Sitzung des Gremiums, vor dem erneut Frank-Walter Steinmeier aussagte. Zugleich rechtfertigte Polenz jedoch den Einsatz deutscher Ermittler in Guantánamo und Syrien. Im Kampf gegen Terror sei es notwendig, auch mit Staaten zusammenzuarbeiten, in denen es "eine schwierige Menschenrechtssituation" gebe. Dies bringe deutsche Behörden zwar in ein Dilemma, es mache aber auch keinen Sinn, auf Informationen zu verzichten, mit denen möglicherweise Anschläge verhindert werden könnten. Wenn aber sogar mit Syrien zusammengearbeitet werde, könne es auch keine Einwände gegen eine Kooperation mit den USA geben. Deutschland habe allerdings in der Vergangenheit seine massiven Bedenken gegen Guantánamo immer wieder deutlich vorgebracht. Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland erklärte gestern, die Zusammenarbeit von CIA und deutschen Geheimdiensten sei ohne Frage notwendig. Die deutschen Behörden dürften sich jedoch nicht "die Früchte der Folter" zu Eigen machen. Zwei neue Fälle: Kunarz und Sammar

Damit sprach Wieland die Verschleppungsfälle unter anderem von Murat Kunarz und vor allem Mohammed Haydar Sammar an. Sammar und Kunarz nicht zu vernehmen, aus Sorge heraus, dass die Gefangenen nicht ordentlich behandelt worden seien, wäre fahrlässig gewesen, meinte dagegen Polenz. Der aus Bremen stammende Türke Kunarz, der seinerzeit die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hatte, wurde dem Vernehmen nach bereits Ende 2001 im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aufgegriffen. Pakistanische Sicherheitskräfte übergaben ihn der CIA. Der US-Geheimdienst flog Kunarz Anfang 2002 nach Guantánamo, dem berüchtigten US-Gefangenenlager auf Kuba. Die USA verdächtigen ihn, die radikal-islamische Taliban in Afghanistan und möglicherweise die Terrororganisation Al Kaida unterstützt zu haben. Menschenrechtler behaupten, dass der Türke aus Deutschland in Guantánamo misshandelt worden sei, um Aussagen zu erpressen. Innenminister Wolfgang Schäuble hatte am Mittwoch im Bundestag eingestanden, dass auch deutsche Sicherheitsbehörden Kunarz vernommen hätten. Schäuble bekräftigte gestern vor dem Innenausschuss, die Vernehmung sei aber nicht von Beamten des Bundeskriminalamtes vorgenommen worden. Die ,,Süddeutsche Zeitung" berichtete gestern, im September 2002 sei nicht nur Kunarz von Mitarbeitern des BKA und des Bundesnachrichtendienstes vernommen worden, sondern auch ein weiterer Häftling, der aus Mauretanien stammende Ould Slahi, der in Duisburg gelebt hatte. Er gilt als einer der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September. Anders liegt der Fall Mohammed Haydar Sammar, der zur Zeit seiner Festnahme neben der syrischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat. Er wurde Ende 2001 in Marokko gefangen genommen und in die syrische Hauptstadt Damaskus verschleppt. Sammar wird verdächtigt, der berüchtigten Hamburger Al-Kaida-Zelle angehört zu haben, die die Attentate des 11. September verübte. Laut Schäuble ist Sammar 2002 in Syrien von Mitarbeitern des BKA zu laufenden Ermittlungen verhört worden. Auch im Fall Sammar gibt es den starken Verdacht, dass er in Damaskus durch die dortigen Behörden und die CIA misshandelt und gefoltert worden ist. Schäuble bekräftigte dagegen gestern, er habe keinerlei Aktenvermerk und Kenntnisse darüber, dass Sammar misshandelt worden sei.

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