Ein Stuhl rechtsaußen

BERLIN. Bei der Abstimmung über den Rauswurf des Abgeordneten Hohmann gab es unerwartet viele Gegenstimmen. Für Angela Merkel geht die Schwerstarbeit jetzt weiter. Denn an der Basis gibt es wütende Mitglieder.

Kaum war im dritten Stock des Reichstages die Entscheidung der Unionsfraktion gefallen, da betrat zwei Etagen tiefer ein Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung den Plenarsaal, um einen einzelnen Stuhl im Parlament aufzustellen. Seit gestern, 9.30 Uhr, hat Martin Hohmann, fraktionsloser Abgeordneter und noch CDU-Mitglied, im Bundestag einen neuen Platz. Von ganz hinten muss der Fuldaer Abgeordnete nun die Debatten verfolgen, und fast schon symbolisch ist es irgendwie, dass der über eine antisemitische Rede gestolperte 55-Jährige künftig rechtsaußen sitzen wird. In Sichtnähe zur CDU und CSU. Kreidebleich verließ Hohmann den Fraktionssaal der Union, in dem er fünf Jahre lang gesessen hatte und in dem er gestern noch einmal versuchte, das Ruder für sich herumzureißen - den Rausschmiss also zu verhindern. Vergeblich. Gut zehn Minuten redete Hohmann während der eineinhalbstündigen Sitzung auf seine Kollegen ein. Er erinnerte daran, dass er sich mehrfach entschuldigt habe und aus "tiefstem Herzen ein Schwarzer" sei. "Auch andere haben eine zweite Chance bekommen", soll er gesagt haben, was einzelne Teilnehmer als Anspielung auf den ehemaligen Vizevorsitzenden des Zentralrates der Juden, Michel Friedmann, verstanden. Am Ende seiner Rede rührte aber niemand der Unionisten eine Hand. Applaus bekam hingegen die ehemalige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Sie appellierte an den Hessen, doch freiwillig aus der Fraktion auszuscheiden, weil er die Union sonst "weiter in die Krise" treibe. Das lehnte Hohmann erneut ab. Bis zuletzt, hieß es nach der Sitzung, habe er wohl daran geglaubt, dass es "für seinen Rauswurf keine Mehrheit geben" werde. Entscheidend sei aber gewesen, dass er sich eben nicht glaubwürdig von seinen Äußerungen distanziert habe. Im Gegenteil: "Er glaubt an das, was er gesagt hat", zog ein CDUler sein Fazit zu den Auftritten Hohmanns am Dienstag und am Freitag vor der Fraktion. "Ein harter Tag für alle"

Als die Sitzung dann beendet war und sich die Türen des Saales öffneten, sah man den Gesichtern der Parlamentarier an, wie gedrückt ihre Stimmung war. Volker Kauder, parlamentarischer Geschäftsführer, verkündete das Ergebnis: 195 votierten für den Ausschluss, "damit ist die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder der Fraktion von 166 Ja-Stimmen erreicht", so Kauder unüblich kurz. Aber: 26 sagten Nein, 16 enthielten sich, und vier Stimmen waren ungültig. Rund 21 Prozent der Anwesenden hatten sich also gegen die Linie Merkels ausgesprochen - "ein harter Tag für alle", wie sie nüchtern den Schuss vor den Bug kommentierte. Ob das Votum die Partei- und Fraktionsvorsitzende beschädigt habe, wurde darauf hin CDU-General Laurenz Meyer gefragt: "Fragen Sie mich nicht so'n Quatsch", reagierte er ungewohnt barsch. Später, in kleiner Runde, meinte Meyer jedoch, wenn das Ergebnis etwas für Merkel bedeute, "dann bedeutet es das auch für mich und für das gesamte CDU-Präsidium". Die Messlatte lag nun mal hoch. Nicht mehr als zehn Nein-Stimmen sollten es nach dem Willen der Parteispitze eigentlich sein. Der Rauswurf ist gelungen, für Merkel geht die Schwerstarbeit allerdings weiter. Sie muss nicht nur die Narben in ihrer Fraktion verarzten, sondern der zum Teil wütenden Basis die Entscheidung erklären. Anfang Dezember auf dem Parteitag in Leipzig will die Vorsitzende deshalb eine Debatte um einen "vernünftigen Patriotismus" anstoßen - noch ist Martin Hohmann übrigens Delegierter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort