Eine Soldatenmutter klagt an

Crawford. "Er soll aus erster Hand hören, was sein Krieg angerichtet hat", sagt Cindy Sheehan, deren Sohn im Irak gefallen ist. Nun will sie US-Präsident George W. Bush von der Sinnlosigkeit dieses Krieges überzeugen und reist ihm hinterher – sogar bis zu seiner Sommerresidenz.

Die drückende Schwüle des Sommers im Südosten der USA. Die kalte Schulter der Anwohner von Crawford - einer dem Präsidenten wohl gesinnten Kleinstadt in Texas. Schlafen in einem einfachen Zelt nahe der Ranch von George W. Bush. Das alles nimmt seit dem 1. August die 48jährige Cindy Sheehan aus Kalifornien in Kauf. Denn sie hat nur ein Ziel: den mächtigsten Mann der Welt von der Sinnlosigkeit des Krieges im Irak zu überzeugen - und gleichzeitig an das Schicksal ihres Sohnes Casey zu erinnern. Der 24jährige Marinesoldat und ausgebildete Sanitäter starb im April 2004 nur fünf Tage nach seiner Ankunft in Bagdad. Getroffen von der Kugel eines im Hinterhalt liegenden Extremisten. "Sein Tod darf nicht sinnlos gewesen sein", sagt Cindy Sheehan zu ihrem auf vier Wochen angesetzten Protest - zu einer Zeit, wo der Präsident nur wenige hundert Meter entfernt den traditionellen August-Urlaub mit Grill-Abenden, Rad fahren und Gartenarbeit auf seinem ländlichen Anwesen genießt. Ihr Zelt will Cindy Sheehan erst abbrechen, wenn sich George W. Bush zu einem persönlichen Gespräch mit ihr bereit erklärt hat. Dann will sie ihn vor allem darauf ansprechen, was der Präsident vor Wochenfrist bei einem Auftritt vor Militärangehörigen erneut hervor- gehoben hat: Die bisher über 1800 im Irak gefallenen Männer und Frauen seien für einen "ehrenhaften Zweck" gestorben. "Warum", diktiert Cindy Sheehan den Reportern in die Notizblöcke, "dient denn keines der Kinder des Präsidenten oder seiner Kabinettsmitglieder, also der Architekten des Krieges, im Irak, wenn es doch so ehrenhaft ist?" Und sauer aufgestoßen ist der Mutter auch die Ankündigung Bushs, er werde an der Militärpräsenz im Irak festhalten und damit der Opferbereitschaft der gefallenen Rechnung tragen. "Ich verbiete dem Präsidenten, den Tod meines Sohnes als Vorwand für die Fortsetzung des Krieges zu nutzen," erklärt sie voller Bitterkeit. Dem Weißen Haus ist die ungewöhnliche Protestaktion so nahe am Urlaubssitz des Präsidenten und somit auch in der Nähe zahlreicher Wache haltender Medienvertreter gar nicht recht. Deshalb schickte Bush am vergangenen Samstag sogar seinen Sicherheitsberater Stephen Hadley, der gewöhnlich nur mit hochrangigen Politikern - zuletzt Wolfgang Schäuble - spricht und verhandelt, zum Lagerplatz der hartnäckigen Demonstrantin. Doch auch ein 45-minütiges Gespräch zwischen den beiden konnte Cindy Sheehan nicht umstimmen. "Die dachten wohl", sagt sie, "dass es eine trauernde Mutter beindrucken würde, wenn so ein hohes Tier kommt. Doch ich will Bush sprechen. Er soll aus erster Hand hören, was sein Krieg angerichtet hat." Doch selbst wenn der Präsident - was anzunehmen ist - nicht seinen Urlaubssitz für ein Treffen mit der Frau verlässt, los wird er Cindy Sheehan dennoch nicht. Denn seit dem Tod von Casey ist sie stets der Fährte Bushs gefolgt. So schlich sie sich im Oktober vergangenen Jahres in eine Parteispenden-Sammelveranstaltung des Präsidenten in Florida und wurde von Ordnern des Saales verwiesen, als sie Bush Fragen stellen wollte. Bei der erneuten Vereidigung Bushs in Washington gehörte die Kalifornierin dann zu jenen Bürgern, die der passierenden Wagenkolonne aus Protest den Rücken zudrehten. Und wenn die Todes-Statistik des Pentagon irgendwann in diesem oder im nächsten Jahr den zweitausendsten gefallenen Militärangehörigen verzeichnet, weiß Cindy Sheehan auch schon, wo sie zu einer Antikriegs-Demonstration zu finden sein wird: mit einem selbst gebastelten Pappsarg auf den Stufen des Kapitols, vor dem Weißen Haus oder am Eingang des Ehrenfriedhofs Arlington. "So schnell", sagt Cindy Sheehan mit fester Stimme, "wird er mich nicht los".

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