Entrüstung ist Pflicht

Nicht nur bei Bundeskanzlerin Angela Merkel geht die Angst um, dass der tobende Steuerskandal das Ansehen der Marktwirtschaft nachhaltig beschädigt.

Berlin. Angela Merkel ließ gestern verbreiten, wie sie sich höchstpersönlich den Kampf gegen den Steuerbetrug vorstellt: Die Kanzlerin will in den nächsten Wochen Einzelgespräche führen, um die Konzern-Bosse an ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu erinnern. Die Reaktionen auf ihre Tête-à-tête-Initiative fielen allerdings bescheiden aus: "Eine absurde Idee", so Hans-Olaf Henkel, früherer Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Der Mann weiß besonders gut, wie Deutschlands Manager ticken - sie lassen sich nicht so einfach ins Gebet nehmen. Also doch schärfere Strafen? Die politische Diskussion darüber ist reflexartig entbrannt: Union und SPD sind sich einig, dass geprüft werden soll, inwieweit auch auf europäischer Ebene das Strafmaß für Steuerhinterziehung angehoben werden kann.Skepsis im Finanzministerium

Im Bundesfinanzministerium ist man jedoch skeptisch: Steuerhinterziehung sei "weniger eine Frage der Strafandrohung, sondern der moralischen Einstellung", so ein Sprecher. Nicht mehr länger hinnehmen will zumindest die SPD, dass solche Delikte wie bisher meist nach Zahlung einer Geldstrafe eingestellt werden. "Deals" mit Beschuldigten müssten ausgeschlossen werden, erklärte gestern Parteichef Kurt Beck nach einer Sitzung der SPD-Spitze in Hamburg. Entrüstung über den gigantischen Steuerskandal ist in allen politischen Lagern Pflicht. In einer Woche wird in der Hansestadt gewählt. Wem die Ereignisse am Wahlabend tatsächlich nützen könnten, scheint klar: Den Linken, die jetzt bei "unvoreingenommenen Menschen" durchaus bessere Chancen haben dürften, wie CDU-General Ronald Pofalla glaubt. Zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik rückt auch Liechtenstein als sogenannte Steueroase. Ausgerechnet heute kommt der Ministerpräsident und Finanzminister des Fürstentums, Otmar Hasler, nach Berlin, morgen trifft er Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück. Er muss sich auf unangenehme Fragen gefasst machen.

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