"Flüge für 19 Euro sind unverantwortlich"

TRIER. Der CDU-Umweltpolitiker Klaus Töpfer hat am Wochenende mit seiner Forderung für Schlagzeilen gesorgt, die KFZ-Steuer abzuschaffen und dafür den Benzinpreis zu erhöhen. So könne der Treibstoffverbrauch am wirksamsten eingedämmt werden, argumentiert der ehemalige Direktor des UN-Umweltprogramms. Töpfer gab dem TV bei einem Besuch der Universität Trier ein Interview.

Der Klimawandel ist zu einem dominierenden Thema geworden. Freut Sie das - oder überwiegt die Enttäuschung darüber, dass das so lange gedauert hat? Töpfer: Ganz sicher haben wir wichtige Jahre nicht ausreichend genutzt. Aber es geht nicht darum zu lamentieren, sondern darum, jetzt zu handeln. Die jüngsten Berichte internationaler Experten haben jeden Zweifel beseitigt: Es geht um zentrale Änderungen. Insofern ist meine Hoffnung groß, dass wir es diesmal nicht wieder mit einer nur vorübergehenden Beachtung des Themas zu tun haben. "Subventionen zu Lasten der Umwelt"

Dreh- und Angelpunkt beim Klimaschutz ist der Kohlendioxid-Ausstoß. Was sagen Sie zur Diskussion um die Pläne der EU für Obergrenzen in Autoabgasen?Töpfer: Da ist der Weg klar: Die Autoindustrie hält ihre Selbstverpflichtung nicht ein, den CO2- Ausstoß bei Neufahrzeugen bis 2008 auf 140 Gramm zu senken. Also wird es eine verbindliche Regelung geben. Auch der Flugverkehr verursacht gewaltige und wachsende Mengen an CO2. Sind Billigflüge - vor allem durch den Flughafen Hahn auch in unserer Region ein Thema - noch zeitgemäß?Töpfer: Es ist nicht nachvollziehbar, dass jeder Autofahrer, wenn er tankt, mit dem Benzinpreis eine hohe Mineralölsteuer bezahlt - während Flugbenzin nicht besteuert wird. Dadurch subventionieren wir diesen Treibstoff zu Lasten der Umwelt. Es ist allerhöchste Zeit, dass das abgestellt wird. Etwa, indem man auch im Flugverkehr Begrenzungen für den Schadstoffausstoß einführt. Wenn diese überschritten werden, müssen CO2-Zertifikate zugekauft werden. Das heißt: Fliegen muss teurer werden.Töpfer: Zumindest muss klar sein, dass Preise von 19 oder 25 Euro für einen Trip nach Mailand mit Blick auf den Klimaschutz eine nicht verantwortbare Größenordnung sind. Ich will gar nicht mit Fingern auf andere zeigen, als Mitglied der Vereinten Nationen bin ich selbst viel geflogen. Ich sage nur: In Zukunft muss sich das ändern. Sonst können wir gegen den Klimawandel nicht erfolgreich angehen. Mit Blick auf die CO2-Reduzierung fordern Politiker gerade Ihrer Partei, an der Atomenergie festzuhalten. Das gefällt Ihnen nicht, oder? Töpfer: Ich war als Bundes-Umweltminister für 24 Kernkraftwerke verantwortlich. Ich habe sie immer wieder mit gutem Gewissen verteidigt, weil sie sicher betrieben werden. Dieser Aspekt ist in der aktuellen Diskussion zu bedenken. Vor allem, wenn ich die globale Situation sehe: Immer mehr Länder nutzen die Kernenergie. Das muss ein Anlass für uns sein, Sicherheitstechnologien mitzuentwickeln. Wegzulaufen erscheint mir nicht genug. Aber wir müssen alles daransetzen, eine Zukunft ohne Kernenergie zu erfinden mit dem Ziel, dass diese schwierige, risikoreiche Technik nicht weltweit weiterverbreitet wird. Windkraft ist in unserem Landstrich weit verbreitet, immer mehr Biogasanlagen entstehen - überhaupt scheinen regenerative Energien zu boomen. Sind wir da auf dem richtigen Weg? Töpfer: Ganz sicher. Auch hier kann man rückblickend lamentieren und sagen, das hätten wir alles viel früher machen sollen - und wiederum ist das nicht sinnvoll. Damit die erneuerbaren Energien auf breiter Front vorankommen, müssen sie gefördert werden. Das stärkt uns auch wirtschaftlich. 70 Prozent der deutschen Windkraftinvestitionen sind Exporte, mit zunehmender Tendenz. Auf regenerative Energien zu setzen, ist nicht nur gut für unsere Energie-Unabhängigkeit, für unsere Glaubwürdigkeit im Klimaschutz, sondern auch für unsere Arbeitsplätze. Zeichnen Sie uns zum Schluss noch zwei Szenarien zum Klimawandel: Wie sieht das Bestmögliche aus, wie das Schlimmste? Töpfer: Wir haben die Möglichkeit, eine Begrenzung des Temperatur-Anstiegs auf zwei Grad zu erreichen. Diese zwei Grad werden von vielen Wissenschaftlern als noch beherrschbare Veränderung gesehen - obwohl auch das gewaltige Konsequenzen haben wird. Diese Begrenzung ist aber nur erreichbar, wenn mehr getan wird als gegenwärtig. Das schlimmste Szenario ist, dass wir eine Chaotisierung des Klimas bekommen, etwa, wenn sich durch ein Abtauen der Grönland-Gletscher die Meeresspiegel dramatisch verändern. Da gibt es alptraumartige Szenarien. Aber die werden ja nicht aufgestellt, damit wir Angst bekommen, sondern damit wir handeln. WISSEN SEITE 28 S Mit Klaus Töpfer sprach TV-Redakteurin Inge Kreutz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort