Geheimnisvolle Kisten aus dem Kanzleramt

Fieberhaftes Basteln am Koalitionsvertrag: In Berlin haben CDU, CSU und FDP auch am Mittwoch um Themen und Finanzierungspläne gerungen. Am Samstag soll das Regierungsbündnis endlich in trockenen Tüchern sein.

Berlin. Im Kanzleramt musste gestern Fingerfertigkeit bewiesen werden. Am Vormittag wurden dort die einzelnen Kapitel der Arbeitsgruppen für den streng vertraulichen Entwurf eines Koalitionsvertrags von Union und FDP zusammengeheftet und dann in Kartons verstaut. Anschließend musste der Leiter des Büros von Kanzleramts-Chef Thomas de Maizière die Kisten in die nordrhein-westfälische Landesvertretung transportieren.

Fast so dick wie ein Telefonbuch war jedes Exemplar wegen der vielen Passagen, die mit eckigen Klammern und dem Hinweis "strittig gestellt" versehen waren. Dazu waren auch noch die möglichen Lösungsvorschläge formuliert. Aller Voraussicht nach am Samstag soll die Koalition nun in trockenen Tüchern sein - vor allem die FDP will etwas länger verhandeln, getreu ihrem Motto "Gründlichkeit vor Schnelligkeit". Kommt es so, dann werden die Parteichefs von Union und FDP den endgültigen Koalitionsvertrag am Samstagnachmittag in der Bundespressekonferenz (geplant ist das für 15 Uhr) präsentieren und auch offiziell das Geheimnis um das Personal lüften. Vorher sollen Vorstände und Fraktionen informiert werden.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, einer der wichtigen bei den Koalitionsverhandlungen, hatte sein Exemplar des Koalitionsvertrages schon am Abend vorher bekommen. Die ganze Nacht habe er das Werk studiert, "liest sich gar nicht so schlecht", meinte Dobrindt. In der großen Koalitionsrunde sah das allerdings nicht jeder so, allein schon wegen der Fülle der Papiere. Schnöde "Textarbeit" wurde dort vorgenommen, Kapitel für Kapitel wurde geprüft, was zu streichen ist und was nicht. Dem Vernehmen nach war der Abschnitt Wirtschaft der umfangreichste. 39 Seiten hatte die Arbeitsgruppe vorgelegt, um die Hälfte musste sie ihr Papier schon vorab kürzen. Die Stimmung in der 27-köpigen Runde war allerdings auch aus einem anderen Grund nicht ganz so gut: Von der harschen Kritik an den Plänen, Steuersenkungen und stabile Sozialbeiträge durch Auslagerung von Schulden in Schattenhaushalte oder Fonds zu ermöglichen, war man sichtlich erstaunt. "Das gab's auch in der Vergangenheit", wehrte FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle ab. Und man habe schließlich auch schon Fonds eingerichtet, "um aus der Wirtschaftskrise herauszukommen", ergänzte Unions-Fraktions-Chef Volker Kauder mit dem Hinweis auf den Deutschlandfonds. "Also nichts Besonderes." Für viel Ärger hatte darüber hinaus auch die Meldung gesorgt, die künftige schwarz-gelbe Koalition plane verpflichtende Zusatzbeiträge für die Arbeitnehmer, um die Finanzierung der Pflege zu sichern. Details seien noch nicht ausgehandelt, hielt man dagegen.

FDP-Chef Westerwelle, auch wegen seiner Grippe verschnupft, nahm gestern sicherheitshalber diesmal den Hintereingang, CSU-Vormann Horst Seehofer ging zwar an den Journalisten vorbei, sagte aber lieber auch nichts.

Und Kanzlerin Angela Merkel hielt es wie immer: Mehr als ein "Guten Tag" rang sie sich auch diesmal nicht ab. Nach der großen Runde nahmen sich die drei Parteivorsitzenden die Fachpolitiker in Einzelgesprächen noch einmal zur Brust. Die Zeit drängt, denn die Parteitage sind für Sonntag und Montag einberufen worden. Auch liegen die Zahlen jetzt alle auf dem Tisch, es ist genug kalkuliert worden. Nun müssen Entscheidungen her: Wie hoch wird die Steuerentlastung sein? 20 Milliarden Euro hat die Union geboten, 35 Milliarden will die FDP. Wann kommt sie, auf welchem Weg will man die Entlastung finanzieren? Wie soll es weitergehen bei der Pflegeversicherung und dem Gesundheitsfonds?

Am heutigen Donnerstag tritt die große Runde erst um 17 Uhr wieder zusammen. "Es muss vorher ja auch mal wieder gearbeitet werden", scherzte ein Teilnehmer. Dann wird erst recht bis tief in die Nacht verhandelt werden - und danach hofft man, endlich klarer zu sehen.

Damit der Freitag vor allem im Zeichen der Personalien stehen kann.

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