Gestreckter Galopp über den Arbeitsmarkt

TRIER. Unter dem Motto "Ein Hartz macht noch keinen Sommer - Das Elend der Arbeitslosigkeit" debattierte eine prominente Besetzung im Schatten des Doms über Arbeitsmarktpolitik. Rund 400 Besucher verfolgten die Diskussion am Vorabend der "Heilig-Rock-Tage".

"Wir befinden uns heute Abend in der Mitte des Orkans, der unsere Gesellschaft erschüttert." Gemessen am dramatischen Befund von Paulinus-Chefredakteur und Moderator Bruno Sonnen blieben die stürmischen Böen und heftigen Niederschläge im gut gefüllten Veranstaltungszelt auf dem Domfreihof aus. Es ging gesitteter zu als bei einer Christiansen-Sendung - was dem Publikum die Möglichkeit bot, immer nur einem Redner gleichzeitig folgen zu müssen. Dabei schien die illustre Gästeliste für Zoff zu bürgen: DGB-Fundamentalistin Ursula Engelen-Kefer, Reformsozi und Arbeitsamts-Chef Florian Gerster, der selten um eine Provokation verlegene Trierer IHK-Vize Harry Thiele, "Arbeiterbischof" Reinhard Marx sowie Hans-Peter Klös, Chef-Ideologe beim Institut der deutschen Wirtschaft, sollten alle Grundsatz-Fragen rund um den Arbeitsmarkt klären - und das in der Netto-Länge eines Fußball-Spiels. Da blieb, auch dank der stringenten Diskussionsleitung von Sonnen und Stefan Weinert, wenig Zeit für das übliche Lamento. Nur gelegentlich wurden die bekannten Gespenster aus der Versenkung geholt: Da bemühte Engelen-Kefer die unsozialen Arbeitgeber, "die ältere Mitarbeiter aus dem Betrieb drängen", Thiele konterte mit den Arbeitnehmern in der "viel zu breiten sozialen Hängematte". Aber selbst beim Öffnen der Mottenkiste mühte man sich, es nicht zu laut quietschen zu lassen. Überraschend oft aber wurde auf der winzigen Bühne, wo die Teilnehmer auf unkomfortablen Thekenstühlen saßen, genickt. Hartz sei "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte Wirtschaftsforscher Klös - da nickte nicht nur Gerster, sondern auch Engelen-Kefer. Man habe zu viele Aufgaben und vor allem die Folgekosten der deutschen Einheit bei den Sozialversicherungen abgeladen, bekundete Gerster - gestenreiche Zustimmung auf allen Seiten. Es müsse "deutlich mehr netto in der Lohntüte bleiben", forderte Thiele - Engelen-Kefer zeigte sich begeistert. Es gelte, sagte die Gewerkschafterin, auch älteren Arbeitslosen "ein Stück Würde zu bewahren" - da freute sich Bischof. Sobald es freilich von der Bestandsaufnahme und Analyse des Krankheitsbilds zur Therapie und den Rezepten ging, war es vorbei mit den Gemeinsamkeiten. Konträre Ansätze wurden deutlich.Faktor Arbeit muss billiger werden

Es gehe darum, "möglichst viele Menschen in den Wertschöpfungsprozess zu integrieren", sagte Hans-Peter Klös. Dafür müsse der Faktor Arbeit billiger werden. Angesichts der hohen Personalkosten seien die Betriebe dazu übergegangen, "nur noch olympiareife Belegschaften zu beschäftigen". Koste die Arbeit weniger, hätten auch weniger leistungsfähige Mitarbeiter wieder eine Chance. Ursula Engelen-Kefer warnte im Gegenzug, "nicht immer die gleichen Schafe zu scheren". Die von der Bundesregierung eingebrachte "Agenda 2010" setze Verpflichtungen "nur bei den Unterprivilegierten" und schone Unternehmer und Besserverdienende. Es sei an der Zeit, "die Lasten-Verteilungsfrage zu stellen". Kaum lief die Diskussion Gefahr, konkret werden zu müssen, da war das Zeitlimit schon erreicht. Die vielen Betroffenen im Zelt, Vertreter von Arbeitsloseninitiativen, Kommunalpolitiker - sie durften nicht in die Debatte eingreifen und blieben ratlos zurück. Auf den Heimweg konnten sie immerhin ein Hirtenwort mitnehmen: "Nur eine Gesellschaft, die aufbricht, kann die Arbeitslosigkeit besiegen", sagte Bischof Marx.

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