Grüner Spaltpilz Afghanistan

Am Tag zwei nach dem Führungsdebakel auf dem Afghanistan-Sonderparteitag herrschte in den grünen Chef-Etagen immer noch Ratlosigkeit. Dafür verschärfte sich der Ton: "Die Frage nach der Führung steht natürlich jetzt an", meinte Parteirats-Mitglied Antje Hermenau. Parteichef Reinhard Bütikofer räumte "Fehler" der Grünen-Spitze ein, verwahrte sich aber gegen personelle Konsequenzen.

Berlin. (vet) In der turnusmäßigen Sitzung des Parteirats ging es gestern dem Vernehmen nach hoch her. Der Streit entzündete sich vor allem an Fraktionsvize Jürgen Trittin, wie Teilnehmer berichteten. Dem ehemaligen Bundes-Umweltminister werden große Ambitionen auf die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2009 nachgesagt. Hinter verschlossenen Türen musste er sich vorhalten lassen, diesen Führungsanspruch in Göttingen nicht eingelöst zu haben. Zuvor hatte schon Bütikofer offen kritisiert, dass sich Trittin bei der Verteidigung des strittigen Vorstandsantrags auf dem Parteitag "eine gewisse Zurückhaltung" auferlegt habe. Entgegen der Führungslinie hatten die Parteitags-Delegierten in Göttingen einen Antrag verabschiedet, wonach die Bundestagsfraktion einer Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes zur Absicherung des Wiederaufbaus Afghanistans (Isaf) im Verbund mit den Tornado-Aufklärungsflügen "nicht zustimmen" solle. Der gescheiterte Vorstandsantrag hätte den Abgeordneten freie Hand gelassen, also auch mit "ja" zu votieren.

Jürgen Trittin, der in Göttingen kein klares Votum erkennen ließ, empfahl den grünen Abgeordneten kollektive Stimm-Enthaltung. Nach seiner Ansicht wäre dem Willen der Partei dadurch am besten gedient. Hermenau hielt Trittin daraufhin vor, die grünen Bundestags-Abgeordneten für dessen "unklare Haltung" zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr instrumentalisieren zu wollen. "Wenn Jürgen Trittin der Fraktion geschlossen Enthaltung nahelegt, dann will er sich selbst dahinter verstecken", sagte sie unserer Zeitung. "Trittin soll endlich Farbe bekennen, anstatt Vorgaben für alle zu machen."

Und was sollen nun die Abgeordneten tun? Der Vorsitzende geht davon aus, dass sie mehrheitlich den Parteitags-Beschluss respektieren. Sonst könnte die Basis schon bald wieder rebellisch werden - der nächste ordentliche Grünen-Parteitag findet bereits in zehn Wochen in Nürnberg statt.

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