Grüne auf Agenda-Kurs

BERLIN. Die Grünen wollen sich am Wochenende über den Reformkurs verständigen. Ihre Vorständler geben sich alle Mühe, den außerordentlichen Konvent in Cottbus nicht als überflüssige Veranstaltung mit programmiertem Happy-End erscheinen zu lassen.

Eine genaue Prognose will Steffi Lemke nicht wagen. Nur soviel steht für die Bundesgeschäftsführerin der Grünen fest: "Zustimmungsraten von 90 Prozent sind bei uns absolut unüblich." Mit diesem Ergebnis bestätigte der SPD-Sonderparteitag am 1. Juni die umstrittene "Agenda 2010" von Kanzler Gerhard Schröder. Lemke erwartet bei dem außerordentlichen Konvent am Wochenende in Cottbus "kontroverse Debatten", Parteichef Reinhard Bütikofer spricht gar von "sehr ernsthaften Auseinandersetzungen". Zweifellos sind die Ökos immer für Überraschungen gut. Dass sich die Unberechenbarkeit bei der Agenda Bahn bricht, ziehen aber selbst linke Parteigänger in Zweifel. Vor einigen Wochen sah die Welt noch ganz anders aus. Gegen den Willen der Berliner Führung erzwangen 48 Kreisverbände den Sonderparteitag gegen eine von ihnen ausgemachte soziale Schieflage der Agenda. Eine schlagzeilenträchtige Bewegung nach dem Vorbild der Rebellen in der SPD ist daraus allerdings nie geworden. Das mag auch daran liegen, dass Bütikofer & Co. frühzeitig auf Verständigungskurs gingen: Der Leitantrag für die Beratungen in Cottbus kommt den Skeptikern entgegen, indem er eine gewisse Distanz zur Agenda erkennen lässt. Genauso wie in der SPD sorgen auch bei den Grünen hauptsächlich drei Vorhaben für Verdruss: Da ist zum einen die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II, das nach dem Leitantrag aber auf jeden Fall das "soziokulturelle Existenzminimum" sichern muss. Zum anderen geht es um die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, die im Vorstandsantrag ausdrücklich als "problematischer Teil des Vorschlagspakets" eingestuft wird. Im Interesse erträglicher Sozialbeiträge sei die Veränderung jedoch tragbar. Die meisten Kontroversen werden zur geplanten Herauslösung des Krankengeldes aus der paritätischen Finanzierung erwartet. Seltsam wirkt an dieser Stelle der Hinweis, dass die Gewerkschaften die Mehrbelastung für den Arbeitnehmer bei Tarifverhandlungen wettmachen könnten.90 Änderungsanträge zum Leitantrag

Die entscheidende Aussage findet sich freilich zwischen den Zeilen 105 und 115. Dort heißt es, die Grünen "unterstützen" den Kurs des Kanzlers, weil er "neue Wege eröffnet". Zugleich sei man sich bewusst, dass dies auch "Zumutungen und Belastungen" bringe. "Die Grundrichtung stimmt", konstatiert Winfried Hermann. Deshalb verzichtete die "Parlamentarische Linke" auf ein Gegenpapier. Dafür liegen allerdings fast 90 Änderungsanträge zum Leitantrag vor. Falls sich die Mehrheit zu Abänderungen und Ergänzungen bereit fände, bestehe "auch für die Fraktion der Auftrag, das umzusetzen", sagt Christian Ströbele. Parteichef Bütikofer sieht das etwas anders: Die Abgeordneten seien einzig ihrem Gewissen verpflichtet. Der Vorstand erwartet ohnehin eine klare Mehrheit für die Agenda - auch ein paar Prozente weniger als bei der SPD wären ein eindeutiges Ergebnis.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort