Heftiger Krach um acht Euro pro Jahr

BERLIN. Obwohl Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gestern eine Expertise vorgelegt hat, wonach die reichen Südländer durch die Gesundheitsreform kaum zusätzlich belastet werden, hielt die CSU an ihrer Kritik fest – und den Zahlenstreit damit im Gange.

"Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe", soll Churchill einst gesagt haben. Ähnlich ist es wohl mit Gutachten. Die Gutachter hätten mit veralteten Daten gearbeitet, hieß es in München. Schon vor der Veröffentlichung des Papiers erklärte CSU-Generalsekretär Markus Söder, durch das Gutachten seien die Bedenken nicht ausgeräumt.Milliarden wandern von Reich zu Arm

Nach Analyse der Sachverständigen Bert Rürup und Eberhard Wille werden die bayerischen Krankenkassen durch die Gesundheitsreform lediglich mit 60 bis 100 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich belastet, die baden-württembergischen mit 50 bis 92 Millionen. Pro Versicherten sind dies jährlich rund acht Euro. Im Dezember hatte die bayerische Staatskanzlei ein Kieler Gutachten präsentiert, das Mehrbelastungen zwischen 1,4 und 1,7 Milliarden Euro für die Südländer ermittelt hatte, und prompt gedroht, die Gesundheitsreform abzulehnen. Das Kieler Institut habe jedoch schwerwiegende methodische Fehler gemacht, urteilte Rürup und ergänzte trocken: "Es gibt viele gute Gründe der Kritik am Gesundheitsfonds. Die Verteilungswirkung gehört nicht dazu". Tatsächlich wandern auch bisher Milliardenbeträge von den Kassen reicherer Länder in die der ärmeren. Nutznießer sind und bleiben vor allem die ostdeutschen Länder, wo die Einkommen niedriger sind. Schmidt sagte, die Sozialsysteme dürften nicht regionalisiert betrachtet werden. Es gelte das Prinzip der gesamtstaatlichen Solidarität. Auch Rürup sprach von einem "schlicht verfehlten Denkansatz". Kurz vor Veröffentlichung des Rürup-Gutachtens hatten die Münchener Angriffe auf Schmidt zugenommen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hielt ihrem Ressort einen "Geist des Klassenkampfes" vor, Söder wollte ihr nur noch eine zweiwöchige "Bewährungsfrist" einräumen. Schmidt forderte, solche Begriffe in die "Mottenkiste" zu packen, und gab sich ansonsten gelassen. Zu einem großen Teil erklärten sich die Attacken mit der bevorstehenden CSU-Fraktionsklausur in Wildbad Kreuth, meinte sie. Nächste Woche allerdings, wenn das Kabinett erneut über die Gesundheitsreform beraten wolle, müsse dieser Streit beendet sein, machte die Ministerin deutlich. Wer darf den neuen Basistarif beanspruchen?

Der CSU-Sozialexperte Wolfgang Zöller folgte Schmidts Pressekonferenz als Gast und war am Rande sichtlich um Vermittlung bemüht. Zu Söders scharfen Aussagen wolle er sich nicht äußern, "ich habe hier mit Sacharbeit genug zu tun". Wenn Rürups Zahlen stimmten, könne man aber den Zahlenstreit "zu den Akten legen", meinte Zöller. Allerdings verwies der Unions-Fraktionsvize auf einen anderen Punkt, der Anfang nächster Woche in der Koalitionsarbeitsgruppe verhandelt wird und den die CSU jetzt nach vorn geholt hat. Es geht darum, wer künftig den neuen Basistarif der privaten Krankenversicherungen beanspruchen kann. Dies könnten im Prinzip alle bisherigen Mitglieder sein, bekräftige Schmidt gestern. Eben nicht, meint Zöller, denn das mache die privaten Versicherungen kaputt. Der Kreis der Berechtigten müsse klar eingegrenzt werden. Der Gesundheitsstreit dürfte also weitergehen.

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