Hoffen auf bessere Zeiten

BERLIN. Auf Renten-Nullrunden bis zum Ende des Jahrzehnts hatte Franz Müntefering die 20 Millionen deutschen Ruheständler bereits im vergangenen Jahr eingestimmt. Nun will der Bundesarbeitsminister dafür sorgen, dass es in dieser Zeit nicht zu Minusrunden kommt.

"Das hört sich bescheiden an, ist aber schon eine ganze Menge", betonte der SPD-Politiker gestern in Berlin. Ein entsprechendes Gesetz soll in den kommenden Wochen auf den Weg gebracht werden. Hintergrund ist die Gefahr eines sinkenden Bruttolohnniveaus, die nach jetziger Rechtslage auch bei den Altersbezügen negativ zu Buche schlagen würde. Die jährlichen Rentenanpassungen zum 1. Juli basieren stets auf der Lohnentwicklung des Vorjahres. Um den Kostenanstieg bei den Rentenausgaben zu bremsen, hatte die alte Bundesregierung zwei Dämpfungsfaktoren in die jährliche Neuberechnung eingebaut. Der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor spiegelt das quantitative Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern wider. Mit dem so genannten Riester-Faktor wird der Aufwand für die private Altersvorsorge berücksichtigt. Wegen der hohen Erwerbslosigkeit und nahezu stagnierenden Arbeitnehmerverdiensten sind die Instrumente zur allmählichen Absenkung des Rentenniveaus aber inzwischen wirkungslos geworden: Für einen Rentenzuwachs müssten die Lohnsteigerungen derzeit mehr als 1,3 Prozent betragen. Tatsächlich sind die Gehaltssprünge deutlich geringer, weshalb die Bezüge der Ruheständler eigentlich schon seit dem Vorjahr schrumpfen müssten. Das geltende Gesetz sieht hier aber eine Sicherungsklausel vor, die im schlimmsten Fall die Rente stagnieren lässt. Für den Fall eines sinkenden Lohnniveaus ist jedoch keine Vorsorge getroffen. So wären Rentenkürzungen unvermeidlich."Nachholfaktor" wirkt nicht vor 2010

Experten sprechen schon seit Längerem von einem nicht unrealistischen Szenario, weil zum Beispiel der zunehmende Anteil von Ein-Euro-Jobs das allgemeine Lohnniveau drückt. Dem Vernehmen nach sollen diese Tätigkeiten künftig nicht bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Was der Rentenkasse an ausbleibenden Rentenabschlägen verloren geht, bedeutet jedoch ungeplante Mehrausgaben. Dieser Fehlbetrag beläuft sich schon jetzt auf vier Milliarden Euro. Für den Abbau der "Bugwelle" setzt die große Koalition auf das Prinzip Hoffnung: Wenn Wirtschaft und Löhne wieder in Fahrt kommen, sollen die Rentenanpassungen nachgeholt werden. Laut Müntefering wird der so genannte Nachholfaktor aber nicht vor 2010 bei der Rentenberechnung wirken. Das heißt, auch im kommenden Jahrzehnt können Rentner allenfalls mit bescheidenen Zuwächsen ihrer Bezüge rechnen. Klar ist bereits, dass der Rentenbeitrag ab 2007 trotzdem um 0,4 auf 19,9 Prozent angehoben werden muss. Müntefering suchte die Arbeitnehmer mit dem Hinweis zu trösten, dass der Beitrag seit fast sechs Jahren unter 20 Prozent liegt. Auch bleibe die Regierung ihrem Ziel einer Lohnnebenkostensenkung treu, weil der Betrag zur Arbeitslosenversicherung zum gleichen Zeitpunkt um volle zwei Prozentpunkte auf 4,5 Prozent reduziert werde. Wenn Rentenkürzungen ausgeschlossen sind und der Rentenbeitrag in den kommenden vier Jahren stabil bleiben soll, kommt eine dritte Stellschraube ins Spiel, an der Müntefering bei unerwartet schlechten Konjunkturbedingungen drehen will: "Die Variable kann nur der Bundeszuschuss sein", meinte der Minister. Bedingt durch die deutsche Einheit und die Einführung der Ökosteuer wird mittlerweile fast ein Drittel der gesetzlichen Rentenzahlungen aus dem Steuersäckel beglichen. Auf ihrer Klausur in Genshagen hatte die schwarz-rote Regierung freilich beschlossen, die "Dynamik" dieses Zuschusses zu stoppen.

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