Hoffnungsträger Abbas

Wenn heute in Jerusalem das "Nahost-Quartett" zusammentrifft, dürfte die Marschroute von Washington und Brüssel angesichts der jüngsten Hamas-Machtübernahme im Gaza-Streifen glasklar sein: Alle verfügbare Unterstützung hinter Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und seine Fatah-Organisation zu werfen.

Washington/Jerusalem. Dieses Bestreben liegt deckungsgleich mit dem derzeitigen Kurs Israels, dessen innenpolitisch umstrittener Ministerpräsident Ehud Olmert ebenfalls auf die Hoffnung setzt, dass die Palästinenser irgendwann erkennen werden, dass nicht rohe Gewalt, sondern allein Verhandlungen der Weg zu einem eigenen Staat und in eine bessere Zukunft sind. Doch kaum ein westlicher Politiker sagt offen, dass diese nahezu bedingungslose Unterstützung für den immer wieder als "moderat" bezeichneten Abbas ein gefährlicher Drahtseilakt ist. Zum einen riskieren die USA und die EU, dass ihre offenen Sympathien für Abbas die radikale Hamas noch weiter stärken und ihr neuen Zulauf verschaffen. Warum auch nicht? Nach dem Hamas-Triumph bei den Wahlen im Jahr 2006 konnte - trotz der Verweigerung der Hilfsgelder durch die Mitglieder des Nahost-Quartetts - die Extremisten-Organisation ihren Einfluß in den Palästinensergebieten noch steigern. Die Ursache dafür führt direkt zur Person von Mahmud Abbas: Er hat es bis heute versäumt, gegen die weitverbreitete Korruption und Ineffektivität seiner Fatah-Organisation vorzugehen. Seit den Osloer Verträgen aus dem Jahr 1993 endete, was kein Geheimnis ist, der Löwenanteil westlicher Zahlungen entweder auf den Privatkonten von Fatah-Funktionären - allen voran Arafat und seiner in Paris im Luxus schwelgenden Witwe - oder versickerte in den zahllosen Milizgruppen und einer aufgeblähten uniformierten "Polizeitruppe" der palästinensischen Verwaltung. Palästinensische Politiker haben traurige Berühmtheit

Diese so genannten "Sicherheitskräfte", oft im Nebenberuf in einer der gewaltbereiten Milizen tätig, haben bis heute versäumt, wozu sich Arafat in Oslo verpflichtet hatte: Gegen Extremisten in den eigenen Reihen vorzugehen. Auch Hoffnungsträger Abbas folgt weiter konsequent diesem schlechten Beispiel. Bis heute gab es für die Al-Aksa-Märtyrerbrigaden, eine Untergruppe der Fatah, keinerlei Konsequenzen trotz zahlreicher folgenreicher Attacken gegen israelische Zivilisten. Abbas wird deshalb sein Doppelspiel weiterführen: Öffentlich Terrorakte als "nicht den eigenen Interessen dienlich" verurteilen, doch weiter die Terror-Einheiten in seiner eigenen Organisation ignorieren. So ist die Frage, wie nun sichergestellt werden kann, dass die frischen Millionen aus den Steuerzahler-Taschen von USA und EU tatsächlich dem Kampf gegen die Hamas-Terroristen und der Not leidenden Bevölkerung zugute kommen - und nicht letztlich wieder Extremisten, nur unter einem anderen Namen, fördern oder in die Hände korrupter Fatah-Funktionäre fallen.Der historische Blick auf die Jahre seit Oslo zeigt, dass die Chancen extrem schlecht stehen, dies zu vermeiden. Trotz oftmals intensiver internationaler Diplomatie und einem gigantischen Hilfspaket, das in seinen Pro-Kopf-Zahlungen sogar den Marschall-Plan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg noch übertrifft, haben palästinensische Politiker traurige Berühmtheit dafür erlangt, "keine Gelegenheit auszulassen, eine Gelegenheit auszulassen", wie es der frühere israelische Außenminister Abba Eban einmal so treffend formuliert hat. Deshalb sollte der Westen im Rahmen des Nahost-Quartetts und der zukünftigen Gespräche mit Abbas mit dem Finger immer wieder auf wunde Punkte zeigen: wie die Notwendigkeit für die Fatah, sich ideologisch und strukturell zu erneuern. Und auch arabische Staaten, die stets so gern über die Passivität des Westens in dem Dauer-Konflikt lamentieren, können mehr tun. Wie beispielsweise Ägypten, das dem breit angelegten Waffenschmuggel der Hamas in den Gaza-Streifen bisher weit gehend tatenlos zugesehen hat - und so dazu beigetragen hat, dass die Lunte unter dem Pulverfass Nahost wieder einmal deutlich sichtbar brennt.

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