Horst, der Einmischer

BERLIN. Am Freitag hat Bundespräsident Horst Köhler sein erstes Amtsjahr hinter sich. Ausgerechnet dann wartet mit der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers eine große Herausforderung auf den deutschen Bundespräsidenten.

Es ist jetzt ein gutes Jahr her, dass Horst Köhler sein exzellent bezahltes Amt als Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgab, um von Washington nach Deutschland zurückzukehren. Angela Merkel hatte ihm quasi im Alleingang angetragen, als Kandidat von CDU/CSU und FDP für das höchste Amt im Staat in den Ring zu steigen. Wolfgang Schäuble und Klaus Töpfer, beide heiß gehandelt, blieben in diesem Poker chancenlos auf der Strecke. In einem Blitzcoup paukte die Unionschefin den gelernten Volkswirt damals durch. Am 4. März 2004 wurde Köhler nominiert, am 23. Mai setzte er sich in der Bundesversammlung gleich im ersten Wahlgang gegen die SPD-Kandidatin Gesine Schwan durch. Am 1. Juli 2004 trat er dann als 9. Bundespräsident sein Amt an, als Nachfolger von Johannes Rau. ,,Horst wer?", begrüßte die Bild-Zeitung den weitgehend unbekannten Kandidaten Köhler. Diese ironische Frage traf im Frühsommer 2004 die Stimmungslage vieler. Köhler, ein Seiteneinsteiger, der erste Nicht-Politiker an der Staatsspitze. Ein Jahr danach ist diese Frage zumindest aus Sicht der Bevölkerung beantwortet: Mit über 75 Prozent bescheinigt ihm eine klare Mehrheit, dass er seine Arbeit gut macht. Und 83 Prozent der Bundesbürger finden, dass es gut ist, dass sich der bekennende Schwabe häufig zu aktuellen politischen Themen äußert. Unbestritten hat Horst Köhler, der am Ludwigsburger Eduard-Mörike-Gymnasium 1963 sein Abitur gemacht hat (,,mit lauter Vierern") und in Tübingen Volkswirtschaftslehre studierte, bereits kräftige Duftmarken gesetzt. Wo immer dieser Präsident das Wort ergreift, er redet Tacheles. In kurzen, schnörkellosen, aber meist auch eher monoton vorgetragenen Sätzen. Nicht Pathos, sondern Inhalte und Praxisbezug sind seine Markenzeichen. Der Ökonom unterstützt die Agenda 2010, findet aber, dass sie nicht weit genug geht. Und Deutschland soll ein Land der Ideen werden. Er ist für Studiengebühren, hat viel übrig für den Elitegedanken in der Bildungspolitik, fordert mehr Gleichberechtigung und eine bessere Kinderbetreuung. Kurzum, er plädiert für eine zeitgemäßere Familienpolitik. Köhler will mit Nachdruck die Föderalismusreform. Auch der Appell des Präsidenten, die Unternehmersteuern zu senken, verhallte nicht ungehört. Und er zeigte immer wieder Mut und politische Eigenständigkeit, was ihm zum Teil dann auch deftige Kritik einbrachte. Als Bundeskanzler Schröder darüber schwadronierte, den Tag der Deutschen Einheit als Feiertag abzuschaffen, fuhr ihm Köhler (62) öffentlich in die Parade – und setzte sich am Ende durch. Er äußerte trotz seiner Unterschrift unter das rot-grüne Paragraphenwerk laut Bedenken am so genannten Luftsicherheitsgesetz, dass der Bundeswehr im Notfall auch den Abschuss von Passagierflugzeugen erlaubt. Dabei ermunterte er zugleich zum Gang nach Karlsruhe. Und er unterzeichnete die EU-Verfassung vorerst nicht, die den Bundestag glatt passiert hatte. Er will das Ergebnis einer Verfassungsklage in Karlsruhe abwarten. Dem wiederholt geäußerten Vorwurf, er sei parteiisch, begegnete Köhler vor Wochen mit den ungewöhnlichen Worten, er sei darüber ,,nur traurig". Dieser 9. Bundespräsident, der nicht müde wird zu betonen, er sei Präsident aller Deutschen, war nie Politiker. Doch seit seiner ersten Rede hat er keinen Zweifel daran gelassen, dass er sein Amt politisch nutzen will – wissend, dass das Geheimnis seiner Macht allein in seiner Persönlichkeit liegt. Dabei versteht er sich als Diener des Volkes, dem er zu Besserem verhelfen will, getreu seinem Motto: ,,Der Staat soll nicht alles Mögliche tun, sondern nur das Nötige." Jetzt schaut die Republik wieder auf Köhler. Wie wird er entscheiden, nachdem am Freitag, da er ein Jahr im Amt ist, über die Vertrauensfrage von Kanzler Schröder abgestimmt worden ist.

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