"Ich bin tot, Ihr nicht - also freut Euch!"

"Ich bin tot. Aber wenn Ihr dies lesen könnt, seid Ihr es nicht. Also freut Euch einen Moment darüber." Diese Worte stehen im Online-Tagebuch von Andrew Olmsted, veröffentlicht am 4. Januar diesen Jahres. Es ist ein an ein großes öffentliches Forum gerichteter Abschiedsbrief, lange vorbereitet für die Möglichkeit des Todes.

 Andrew Olmsted Foto: US-Army

Andrew Olmsted Foto: US-Army

Washington/Denver. Die letzten Gedanken des US-Soldaten gelten zahlreichen Freunden, die der 38-jährige US-Soldat aus dem Bundesstaat Colorado im Internet auf seiner Blog-Seite ( www.andrewolmsted.com) fand, den Lesern der Zeitung "Rocky Mountain News", für die er 38 mal aus Kuwait und dem Irak humorvoll und mit philosophischem Touch Erlebnisse und Eindrücke schilderte - und seiner Frau Amanda, der er auf diesem Wege mitteilt: "Ich habe jeden Tag geschätzt, den ich mit dir verheiratet war. Ich liebe Dich." Formuliert hatte der Major die letzten Grüße im Sommer vergangenen Jahres - bevor er zu seinem Einsatz in Bagdad eintraf. Eine Bekannte versprach ihm, den Text mit der Überschrift "Final Post" ("Letzter Eintrag") ins Internet zu stellen, falls ihm etwas zustoßen würde. Eine Möglichkeit, die er - wie sein Eintrag zeigt - mit militärisch-nüchterner Kalkulation immer in Betracht zog. "Es gibt Grenzen in unserem Leben zu dem, was wir kontrollieren können. Und nun habe ich eine dieser Grenzen überschritten." Am 3. Januar, also 24 Stunden vor dem Abschieds-Blog, hatte Andrew Olmsted eine Patrouille in der Provinz Diyala angeführt. Seine Truppe umstellt ein Haus mit drei Extremisten. Der Major versucht, die Umzingelten zur Aufgabe zu überreden, um Blutvergießen zu vermeiden. Doch ein im Hinterhalt liegender Scharfschütze tötet ihn und einen weiteren Soldaten mit jeweils einem einzigen Schuss. Am nächsten Morgen fährt eine Limousine mit Militärangehörigen in einer verschneiten Siedlung in Colorado vor. Amanda Olmsted, seit zehn Jahren mit dem Soldaten verheiratet, erhält von zwei Offizieren die Todesnachricht. Und bricht weinend im Hausflur zusammen. Nur Stunden später stellt Hilary Blok, eine Professorin der Johns Hopkins Universität und Vertraute des Soldaten, den 3000 Worte umfassenden letzten Eintrag von Andrew Olmsted ins Netz. Er versucht, den Schmerz seiner Hinterbliebenen zu lindern - mit Sätzen wie diesen: "Wir werden alle aus irgendeinem Grund sterben, und ich starb bei einem Job, den ich liebte." Oder: "Wenn Eure Zeit gekommen ist, hoffe ich, dass Ihr genauso glücklich seid wie ich." "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen"

Gleichzeitig zitiert er Plato: "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen." Und bittet alle, die seinen posthumen Blog lesen, seinen Tod nicht als politische Attacke gegen den Irak-Krieg zu benutzen. "Ich bin in den Irak aus meinen Gründen gegangen und nicht Euren." Seine Hauptaufgabe dort: Soldaten der irakischen Armee zu trainieren. Zu den genauen Umständen seines Todes hatte Andrew Olmsted eine düstere Vorahnung, die sich später erfüllen sollte: "Es wäre schön gewesen, wenn ich im Gefecht gestorben wäre und dabei die Leben meiner Kameraden gerettet hätte. Aber vermutlich hat mich ein Scharfschütze oder eine Bombenfalle erwischt." Mehr als 100 000 Menschen haben seit dem Tod von Andrew Olmsted seinen Abschieds-Blog gelesen, mehr als 1000 haben reagiert - mit eigenen Kommentaren, mit Hochachtung, Beileidsbezeugungen für die Angehörigen und mit Tränen. "Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor an meinem Arbeitsplatz geheult habe", schreibt beispielsweise Sebastian Holsclaw. Und ein anderer gesteht: "Ich bin wie gelähmt. Ich hasse diesen verdammten Krieg."

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