Köhler liest Bankern die Leviten

Demut, Anstand, Bescheidenheit: Die Botschaft des Bundespräsidenten an die Bankenelite war unmissverständlich. Ein halbes Jahr, nachdem Horst Köhler die Finanzmärkte als "Monster" bezeichnet und den Managern die Schuld an der Finanzkrise gegeben hatte, fand er gestern erneut harte Worte.

Frankfurt. Deutlicher geht's nicht: Deutschlands Top-Banker sollten endlich aufhören, "mit dem Finger auf andere Leute" zu zeigen, und sich stattdessen schon aus "Eigeninteresse selbst unangenehme Fragen stellen", nahm der Bundespräsident gestern die Manager ins Gebet. Mit undurchschaubaren Produkten und der Gier nach Rendite hätten Banker die Turbulenzen befeuert, die inzwischen Volkswirtschaften und Großkonzernen vom Autobau bis zur Chemie weltweit zu schaffen machen.

Reuig räumte Commerzbank-Chef Martin Blessing als Gastgeber des Frankfurter Bankenkongresses umgehend Fehler seiner Branche ein: "Es gibt ein großes Maß an Nachdenklichkeit und auch Einsicht, dass nicht alles richtig war." Sein Vorgänger Klaus-Peter Müller bekräftigte, die Banken hätten einiges "objektiv falsch gemacht". Zum Beispiel seien zu komplizierte Produkte auch an einfache Anleger verkauft worden. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann gab sich ausnahmsweise wortkarg. Er kommentierte die Anschuldigungen Köhlers mit keiner Silbe.

Noch im Mai hatte Köhler beklagt, dass die Bankenwelt nicht zu einem Schuldbekenntnis für ihre Fehler bereit sei. Dass dieser Ruf ungehört verhallte, dürfte ein Grund sein für sein Nachlegen jetzt. Offenbar habe sich die ganze Branche an Renditen so "berauscht (...), dass sie blind wurde für die Risiken - oder sie bewusst ignoriert hat", schimpfte Köhler in Frankfurt. "Solide kaufmännische Grundregeln wurden missachtet; Teile der Finanzwirtschaft koppelten sich ab von der Realwirtschaft." Noch nie hat ein Staatsoberhaupt so heftig gegen einen ganzen Zweig der Volkswirtschaft gewettert.

Immer wieder hat der Ex-IWF-Chef in den vergangenen Jahren die relative Wirkungslosigkeit seiner Präsidenten-Worte bei den Verantwortlichen beklagt. Die Verschärfung der Tonlage dürfte auch damit zusammenhängen. Hinzu kommt, dass sich Köhler faktisch in einer Art Wahlkampf befindet. Im Mai nächsten Jahres muss er sich der Wiederwahl in der Bundesversammlung stellen. Seine Gegenkandidatin von der SPD, Gesine Schwan, ist in diesen Monaten landauf, landab unterwegs, um ihre Gegenposition zu Köhler zu markieren.

"Ich halte nichts von pauschaler Manager-Kritik", sagte sie erst kürzlich wieder zur Debatte um die hohen Gehälter in den Vorstandsetagen. Gleichzeitig äußerte sie sich betont distanziert zu Köhlers wiederholten Einmischungen in die Tagespolitik, die auch in der etablierten politischen Klasse in Berlin nicht immer so gut ankommen. Was Köhler von solchen Anwürfen hält, hat er jetzt in Frankfurt wieder klar gemacht. Er las las den Bankern die Leviten. Den Beifall der wegen der Finanzkrise verunsicherten Bürger hat er damit sicher. "Ich kann einfach nicht aus meiner Haut raus", sagte der Bundespräsident erst kürzlich wieder auf den Vorwurf, er steige zu sehr in die Niederungen der Politik hinab.

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