Keine Panik auf der Titanic

Man muss sich von Statistiken nicht in Panik versetzen lassen, selbst wenn man ihre Ergebnisse glaubt. Ist es etwa eine Katastrophe, dass die Deutschen zu viel qualmen und zu fett essen? Klar, wenn man an das Gesundheitssystem denkt.

Für die Rentenversicherung hingegen wäre einer, der aufgrund ungesunden Lebenswandels mit 60 wegen Infarkts das Zeitliche segnet, allemal günstiger als ein kerngesunder 80-Jähriger mit Vollzeit-Versorgungs-Demenz und einer Lebenserwartung von 90. Natürlich rein statistisch. Es kommt eben auf den Blickwinkel an. Wenn der Mikrozensus nun also feststellt, dass die traditionellen Strukturen in Deutschland zunehmend zerbröckeln, kann man darob in kulturkritisches Gejammer verfallen. Das mag einen Moment lang trösten, es löst nur keine Probleme. Oder man kann sich in Schimpftiraden auf Politik und Gesellschaft ergehen und Sündenböcke suchen. Das mag einen Moment lang befreien, es verschärft aber auf Dauer nur die Lage. Die Alternative wäre, die Realität zu akzeptieren. Zum Beispiel, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Und dass die Migranten noch am ehesten dafür sorgen können, dass die Bevölkerungsstatistik nicht ins Bodenlose kippt. Dass man aber viel Zeit, Mühe, Druck und Geld dahinein investieren muss, die Viktors, Kims und Kemals so gut in die Gesellschaft zu integrieren wie einst die Tilkowskis, Szybulskis und Lafontaines. Auch auf die Veränderung der Familienlandschaft wird man kreativ reagieren müssen. Mit neuen Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen. Nostalgie nützt nichts. Es gibt keinen Anspruch darauf, dass sich die Welt nicht verändert. Es gibt aber stets eine Chance, den Wandel mitzugestalten. d.lintz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort