Kinder lohnen sich nicht

TRIER. Leben Kinder auf Kosten der Allgemeinheit, oder garantieren sie durch künftige Steuern und Sozialbeiträge die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte? Eine Studie gibt Anstoß zur Diskussion – vor allem im Hinblick auf die aktuelle Familienpolitik.

Die Rentenversicherung ist an allem schuld. Bevor Otto von Bismarck 1881 die Sozialversicherung einführte, brachte jede Frau im Schnitt noch fünf Kinder zur Welt. 1920 sank die Geburtenrate bereits auf unter zwei Kinder. Und seitdem hat sie sich nicht mehr erholt.Kinder als Alterssicherung sind seit Bestehen der Rentenversicherung nicht mehr notwendig. Für die Wissenschaftler des Münchner Info-Instituts besteht daher ein eklatanter Zusammenhang zwischen Rentenversicherung und Geburtenrückgang. Nicht zuletzt deshalb fordern sie im Bericht der vom ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf geleiteten Kommission "Familie und demografischer Wandel" eine Reform der Sozialversicherung. Kinder sollten bei der Rente berücksichtigt werden: Wer Kinder hat, bekommt im Alter mehr. Diese steuerfinanzierte Kinderrente soll unabhängig von den eingezahlten Beiträgen gewährt werden. Kinderlose müssten demnach privat vorsorgen, um eine halbwegs auskömmliche Alterssicherung zu haben. Der Vorschlag ist nicht neu. Bereits 2003 hatte die CSU eine solche Kinderrente vorgeschlagen. Immer wieder wird sie von Familienexperten gefordert.

Von Zwangsverteilung zu echter Versicherung

Die Rentenversicherung würde von einer reinen Zwangsumverteilung von den Beitragszahlern zu den Empfängern, wie es heute der Fall ist, zu einer echten Versicherung, also einer Risikogemeinschaft von Personen gleicher Interessenslage.

Bis zum zweiten Weltkrieg glich das Rentensystem tatsächlich eher einer kapitalgedeckten Versicherung: Die Beitragszahler sparten während ihres Berufslebens mit ihren Beiträgen für das eigene Alter an. Doch nachdem die Rentenkasse von den Nazis geplündert worden war, wurde die Altersvorsorge auf das noch heute geltende Umlageverfahren umgestellt. Das bedeutet: Die jetzt eingezahlten Beiträge gehen direkt an die jeweiligen Rentner. Es wird nichts mehr angespart fürs Alter, Kinderkriegen wird seit Bestehen der Bundesrepublik in der Rente nicht mehr finanziell belohnt.

Obwohl Bundeskanzler Adenauer auf das Problem aufmerksam gemacht wurde, bügelte er Forderungen nach finanzieller Unterstützung ab: "Kinder bekommen die Leute immer", meinte der Rheinländer - und irrte sich gewaltig. Jede vierte Frau des Geburtsjahrgangs 1960 blieb kinderlos, noch heute entscheiden sich immer mehr Frauen gegen Kinder. Im Schnitt bekommt jede Frau in Deutschland derzeit 1,29 Kinder. Daher spricht also vieles für die Kinderrente. Allerdings, und da widersprechen sich die Ifo-Experten, würde das auch zwangsläufig eine Einmischung des Staats in die Familienplanung seiner Bürger bedeuten.

Dabei ist Kernaussage der Studie: Der Staat soll die Menschen nach ihren eigenen Vorstellungen entscheiden lassen, wie viele Kinder sie haben wollen.

Den Hauptgrund, sich gegen Kinder zu entscheiden, sehen die Wissenschaftler in dem von ihnen als Strafsteuer titulierten Überschuss, den ein im Jahr 2000 Geborener dem Staat bis zu seinem Lebensende beschert. Wenn Bürger dem Staat fast 80 000 Euro mehr einbrächten, als er für sie ausgebe, dann verhalte sich die öffentliche Hand nicht neutral. Dieses Geld müsse dafür verwendet werden, das Sozial- und Steuersystem umzubauen. Neben der Kinderrente müsse es deutliche steuerliche Entlastungen für Familien geben. Zum Beispiel durch ein Familiensplitting, wie es unter anderem Frankreich oder auch Luxemburg eingeführt haben: Pro Kind braucht man weniger Steuern zu bezahlen.

Nach dieser zumindest theoretischen Rechnung der Ifo-Experten wäre dann auch die derzeit heftig diskutierte Beitragsfreiheit der Kindergärten zu finanzieren. Anders gesagt: Das Geld für eine effektive Familienpolitik wäre vorhanden.

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