Kleinster Nenner, größter Ärger

Das Verwirrspiel beim Thema Mindestlohn geht weiter: Die Union signalisiert Kompromissbereitschaft auf kleinstem gemeinsamen Nenner mit der SPD. Die Sozialdemokraten stellt das aber nicht zufrieden.

Berlin. In der Plenarsitzung des Bundestages am Donnerstag wird ein Antrag über die Einführung von Mindestlöhnen zur Debatte stehen. Er entspricht jenem Text, den die SPD für eine Unterschriftenaktion formuliert hatte. Anstatt freudig zuzustimmen, werden sich die Sozialdemokraten aber distanzieren - aus ideologischem Prinzip: Der Antrag stammt von der Linksfraktion. Das seltsame Verwirrspiel ist der Höhepunkt eines Konflikts, der das Koalitionsklima zunehmend belastet. In einer Spitzenrunde der Regierungsparteien am Montag sollen die Fronten beim Mindestlohn nun angeblich geklärt werden. Gleichwohl wird auch schon über einen "Ersatztermin" im Juli spekuliert. Union: Entsendegesetz ausweiten

Gestern machten dann Berichte über ein "letztes Kompromissangebot" der Union die Runde. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Karl Josef Laumann (CDU) tritt die Union für eine Ausweitung des so genannten Entsendegesetzes auf weitere Branchen ein. Das bedeutet: Gewerkschaften und Arbeitgeber einigen sich auf einen Lohn in der untersten Tarifgruppe, der dann für diese Branche als allgemein verbindlich erklärt wird. Das hat den Vorteil, dass auch nicht tarifgebundene Betriebe diese Lohngrenze einhalten müssen. Bislang gilt das Entsendegesetz für das Bau-, Dachdecker- und Abbruchgewerbe sowie für Maler, Lackierer und Gebäudereiniger. Auf die Einbeziehung weiterer Branchen hatte sich allerdings schon vor Wochen eine Expertengruppe von Union und SPD im Grundsatz geeinigt. Strittig blieb damals, auf welchem Wege die Allgemeinverbindlichkeit hergestellt werden soll. SPD stört sich am Veto der Bosse

Die Union beharrte darauf, dass der gemeinsame Tarifausschuss mit Vertretern der Spitzenverbände von Arbeitgebern und Gewerkschaften das letzte Wort hat. Die SPD störte sich jedoch am möglichen Veto der Bosse. Nach ihrer Auffassung reicht zur Allgemeinverbindlichkeit eine Verordnung der Bundesregierung aus. Darauf will sich angeblich nun auch die Union einlassen. Für den SPD-Arbeitsmarktexperten Klaus Brandner ist das ein Schritt in die richtige Richtung. "In der Sache reicht das aber nicht aus", sagte er unserer Zeitung. Aus Sicht der Genossen besteht das Problem darin, dass gerade in Branchen mit besonders niedrigen Löhnen wie etwa dem Postdienst meist auch flächendeckende Tarifstrukturen fehlen. Folglich lassen sich solche Branchen auch nicht in das Entsendegesetz einbeziehen. Daher fordert die SPD gesetzlich festgelegte Mindestlöhne von mindestens 6,50 Euro pro Stunde, die von der Union aber auch gestern wieder strikt abgelehnt wurden.6,50 Euro pro Stunde sollen es sein

Überhaupt könnte sich Brandner zu früh gefreut haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Peter Ramsauer, ließ gestern wissen, dass seiner Partei schon eine Ausweitung des Entsendegesetzes zuviel ist. Da sei man "extrem zugeknöpft", meinte der Christsoziale. Auch sein CDU-Amtskollege, Norbert Röttgen, dämpfte die Erwartungen. Die Einbeziehung weiterer Branchen in das Gesetz sei das falsche Prinzip. Der Staat dürfe nicht an die Stelle der Tarifparteien und des Marktes treten. Das hielt Röttgen allerdings nicht davon ab, staatliche Lohnzuschüsse für Kleinverdiener zu fordern. Für Brandner ist das ein falscher Weg, denn damit würden "die Arbeitgeber nur zu Lohnabsenkungen ermuntert". Fazit: Auch dieser Streit dürfte noch nicht der letzte Akt im Verwirrspiel um den Mindestlohn gewesen sein.

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